Freundschaften mit Gleichaltrigen sind überaus wichtig für die Entwicklung unserer Kinder.
„Freundschaft ist das Einzige auf der Welt, über dessen Nutzen sich alle Welt, über dessen Nutzen sich alle Menschen einig sind.“ Der römische Staatsmann Marcus Tullius Cicero soll das gesagt haben, vor über 2000 Jahren – es gilt bis heute. Alle Menschen brauchen Freunde. Im Erwachsenenaltersind Freunde Vertraute, Wegbegleiter, Anker, Hilfe und manchmal auch soziale Korrektive. Im Kindesalter sind Freunde noch viel mehr. Da gibt es die berühmte Sandkastenfreundschaft im Kleinkindalter, die – wenn wir ehrlich sind – meist auf einer Mütterbekanntschaft beruht und bei der die Kleinsten weniger miteinander buddeln, sondern sich gegenseitig Förmchen über den Schädel ziehen. Dennoch sind auch diese ersten Kontakte zu Gleichaltrigen wichtig im Prozess des Wachsens. Kinder lernen, dass man sich gegenseitig nicht verletzten darf, was Mein und Dein ist, wie man teilt. Im Kindergarten, kommen erste enge Freundschaften zustande. Im gemeinsamen Spiel erkunden Kinder die Welt. Nur in der Interaktion mit Gleichaltrigen, in der Freundschaft, im Streit, im Verzeihen entwickeln sich soziale Kompetenzen, die für unser weiteres Leben entscheidend sind.
Kinderfreundschaften verändern sich in den verschiedenen Lebensphasen. Im Kindergarten spielt der Geschlechterunterschied meist keine große Rolle, in der Grundschule sieht das anders aus. Plötzlich bleiben Jungs und Mädchen gerne unter sich, finden die anderen gar besonders doof. Die beste Freundin oder der beste Freund bekommt eine entscheidende Rolle im Leben des Kindes. Groß ist das Unglück, wenn er oder sie sich mal abwendet. Noch viel enger wird die Bindung bei Heranwachsenden in der Pubertät. Vor allem unter Mädchen wird die beste Freundin zur engsten Vertrauten. Stundenlanges Reden über alles: am Telefon, beim Tee im Mädchenzimmer, gemeinsam schminken, Haare färben, Klamotten probieren, Jungs bewerten. Die Freunde werden fast wichtiger, als die eigenen Eltern.
Ich habe noch heute die Briefe, die mir meine beste Freundin geschrieben hat, als sie 16 Jahre alt war und ein halbes Jahr in England verbrachte. Ich darf zitieren: „Schule ist ätzend.“ Inhaltlich mag das auch heute noch in der einen oder anderen Unterhaltung unter besten Freunden vorkommen. Gleichwohl hat sich die Art der Kommunikation verändert. Es wird kaum telefoniert,sondern per Whats App kommuniziert oder über Facebook. Auch das Freizeitverhalten hat sich verändert. Eltern wollen heute weitaus mehr an der Freizeit ihrer Kinder teilhaben und über Aktivitäten mitbestimmen. Das fängt schon auf dem Spielplatz an, auf dem Kinder nicht mehr alleine im Sand spielen, sondern sich die Eltern mit Hingabe ins Spiel einbringen.
Einerseits ist das schön. Andererseits nimmt es dem Kind manchmal die Chance, sich gleichaltrige Spielkameraden zu suchen.
In der Grundschulzeit sind die Kinder oft bis nachmittags betreut, werden ständig unterhalten, immer unter der Kontrolle von pädagogischen Fachkräften. Niemals allein. Und danach steht ein „Hobby“ an. Am Wochenende fordern die Eltern dann gemeinsame Unternehmungen ein, weil sie ja auch was von ihrem Kind haben wollen. Das ist alles wunderbar, aber für Freunde bleibt da wenig Zeit. Wenn wir uns doch aber seit über 2000 Jahren einig darüber sind, dass Freundschaft einen so großen Nutzen hat, dann sollten wir unseren Kindern auch die Gelegenheit geben, sie zu pflegen. Wie? Ganz einfach. Mit einer Aufforderung zum Beispiel: „Geh spielen!“
shy // Fotos: sho