Kinderbuchillustratorin und Kinderbuchautorin Constanze von Kitzing ist in Heidelberg aufgewachsen, lebt seit zwei Jahren in Mannheim und hat in Weimar, Minneapolis und Hamburg Illustration studiert. Nach ihrer Ausbildung hat sie ein Jahr beim Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ gearbeitet und mehrere Jahre an der FH Münster und der WAM Akademie in Dortmund als Dozentin unterrichtet. Ihre preisgekrönten Bilderbücher stehen für Vielfalt und Toleranz und hinterfragen Klischees und Stereotypen. Wir haben uns mit der Künstlerin und zweifachen Mutter unterhalten.
Liebe Frau von Kitzing, beim Betrachten Ihrer Kinderbücher fällt uns gleich ein Motto auf: Vielfalt. Dicht gefolgt von „anders“ und „normal“. „Schade, dass Vielfalt im Kinderbuch ein Thema ist und nicht normal“, schreiben Sie an einer Stelle. Woher kommt diese Affinität zur Vielfalt und zum Anderssein?
Das hängt wohl mit meiner eigenen Geschichte zusammen. Einmal bin ich in einer Bahá’í-Familie* aufgewachsen, und eines der wichtigen Themen dieser Religion ist die Einheit der Menschheit, also Einheit in der Vielfalt und Wertschätzung jedes Einzelnen. Und da meine eigenen Kinder halb persisch, halb deutsch sind, setze ich mich mit den Themen Vielfalt und Rassismus noch mal auf eine viel direktere Art auseinander. Und die Schulklassen meiner Kinder sind um einiges diverser, als das in meiner Grundschule der Fall war, ich versuche also eigentlich nur die Realität abzubilden.
Seit wann wussten Sie, dass Sie Kinderbücher illustrieren werden?
Ich habe schon immer am liebsten gemalt, Hörbücher gehört und gelesen. Ich habe fünf jüngere Geschwister, abends habe ich lange vorgelesen bekommen (und selbst vorgelesen). Ich wusste schon als kleines Kind, dass ich Kinderbücher machen möchte. Als ich gelernt habe, dass man das tatsächlich studieren und als Beruf ausüben kann, war für mich klar, dass ich das machen möchte.
Also ein sehr gradliniger Weg …
Von außen gesehen ja. Für mich innerlich war es sehr aufreibend, bis ich angekommen war. Nach dem Abitur fing ich an, Illustration zu studieren. Mein Diplom-Projekt wurde beim französischsprachigen Schweizer Verlag La Joie de Lire verlegt und bis heute arbeiten wir zusammen. Inzwischen illustriere ich für viele Verlage im In- und Ausland, und ich schreibe tatsächlich auch Kinderbücher.
Das ist in Deutschland noch etwas ungewohnt, im europäischen Ausland aber ganz normal – dass Text und Bild aus einer Hand kommen.
Täuscht der Eindruck, oder waren Ihre Illustrationen am Anfang etwas abstrakter?
Ich werde tatsächlich realistischer, ich bin näher am Leben dran – und mir gefällt auch inzwischen eine tiefere Farbigkeit.
Nach Ihrer Ausbildung sind Sie für die Titelredaktion beim Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ eingestiegen. Nach der Präsentation einiger Ideen für das neue Titelbild fragte Sie Ihr Ressortleiter einmal: „Constanze, du weißt schon, dass wir ein Nachrichtenmagazin und kein Kinderbuchverlag sind, oder?“ War das der Punkt, endgültig in Richtung Kinderbuch zu gehen?
Ich habe schnell gemerkt, dass Politik nicht meine Welt ist. Außerdem wurden alle von uns entworfenen Titelbilder für die illustrative Ausführung außer Haus gegeben. Das was ich eigentlich machen wollte, nämlich selbst malen und gestalten ging hier nicht.
Ihre ersten Erfolge hatten Sie im europäischen Ausland, warum war der deutsche Markt so schwierig?
Als ich anfing, war den deutschen Verlagen mein Stil zu künstlerisch und gewagt, die Franzosen, Spanier und Süd-Koreaner sind da in jedem Fall offener. Aber der deutsche Markt öffnet und traut sich immer mehr.
Die Kinder in Ihren Büchern sehen alle sehr unterschiedlich aus. In dem Wendebuch „Ich bin anders als du“ wird deutlich, dass Unterschiede für Kinder etwas anderes bedeuten als für Erwachsene. Nämlich, ob der andere lieber Pizza oder Pasta mag. Nicht ob er oder sie helle oder dunkle Haut hat.
Kleine Kinder beobachten, aber urteilen (noch) nicht. Für sie ist vielleicht erst mal der coole Pulli wichtiger als Unterscheidungsmerkmal als der Hautton. Durch Beobachten und Rückmeldungen der Erzieher:innen, der Eltern und der Gesellschaft lernen sie bestimmte Dinge zu bewerten. In meinen Büchern versuche ich diesen kindlichen und wertoffenen Blick auf die Welt zu erhalten. Auch ist es mir wichtig, dass sich möglichst viele Kindern in meinen Büchern wiederfinden und die Held:innen auch mal braune Haut haben, ein Hörgerät tragen oder in einer Patchwork- oder Regenbogenfamilie aufwachsen. Bilderbücher haben eine Vorbildfunktion, je öfter wir etwas sehen – nämlich ganz unterschiedliche Menschen – umso normaler wird es für uns und hilft dabei, die eigenen Vorurteile abzubauen.
bw // Foto: Frederic Lezmi
*Die Bahá’í-Religion ist die jüngste Weltreligion. Das Bahá’itum zählt weltweit rund acht Millionen Anhänger, in Deutschland sind es circa 6000. Religionsstifter Bahá’u’lláh wurde 1817 in Teheran, im damaligen Persien, geboren. In Deutschland ist die Religionsgemeinschaft den großen Kirchen rechtlich weitgehend gleichgestellt. Ihre Mitglieder sind besonders stark im interreligiösen Dialog engagiert und streben die Einheit der Menschheit an.