„Wir bringen frischen Wind ins Haus – gern auch mal von vorn“. Die neue Jugendvertretung am Jungen NTM, das KONNEKTIV*, startet diese Spielzeit richtig durch. Jung, kreativ und auch streitbar. Wie Wind von vorne eben. Wer und was das KONNEKTIV* genau ist, haben wir bei einem Besuch in Mannheim herausgefunden. Wir haben viel gelernt – und viel gelacht.
Endlich wieder Theater machen! Die Freude darüber ist der Dramaturgin Julia Weibel und ihrer Kollegin Inga Schwörer anzusehen. Wir treffen die beiden Verantwortlichen der Jungen Bürgerbühne an einem verregneten Julitag zum Interview. Mit dabei sind zwei Theater-Nachwuchs-Talente: Tuana Tuncali, 15, und Mia Hemkes, 17. Die Jugendlichen sind Teil der jüngsten Neuerung am Jungen Nationaltheater Mannheim: des KONNEKTIV*.
„Ursprünglich war der Arbeitstitel der Gruppe von Jugendlichen „das TEAM*“. Unter diesem Namen wurde vor einigen Monaten mit Plakaten, per Social-Media Aufrufen und innerhalb des Theaternetzwerks nach neuen jungen Köpfen gesucht. Nach Jugendlichen, die Lust hätten, Theater ganz neu zu denken. Die das Theater für die Stadt und ihre Menschen und für die unterschiedlichsten Themen öffnen. Ziemlich schnell, nachdem sich die Gruppe gefunden hatte, wurde der Name allerdings basisdemokratisch geändert. In KONNEKTIV*. „Das Team*, das ging gar nicht“, erklärt die 15-jährige Tuana Tuncali, „das klang einfach total alt – erwachsen eben.“
In Mannheim wird schon immer intensiv Theater für Kinder und Jugendliche gemacht, ebenso wird traditionell die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in den Spielclubs der Jungen Bürgerbühne ernstgenommen. Viele Schulklassen kommen regelmäßig zu Vorstellungen, manche Inszenierungen sind speziell für Schulklassen konzipiert und werden vor Ort in den Schulen aufgeführt. Zudem gibt es Projekte, wie die mobile Forschungsstation „Perplexi“ (8+), die gemeinsam mit Mannheimer Schüler*innen den Schulhof zur Bühne werden lässt. Die Stücke für Jugendliche behandeln Themen aus der Lebensrealität junger Menschen. Freundschaft, Erwartungen des Umfelds, Familie in all ihren Facetten, die erste Liebe. Aber auch Diskriminierung, Rassismus, Klimagerechtigkeit und die Verantwortung des Einzelnen. „Wir befinden uns zwar bereits im Rahmen aller Produktionen und in vielen Projekten im Austausch mit Jugendlichen und Kindern, um zu verstehen, welche Fragestellungen sie bewegen, aber wir denken auch immer, da geht noch mehr. Insbesondere interessiert uns der Begriff der Teilhabe. Was bedeutet es, wenn wir Jugendliche nicht nur in die Produktionsrecherche, sondern in die ganze Theaterstruktur mit einbeziehen? Was bewegt sie? Was würden sie bewegen? Immer wieder neu zu denken, darum geht es“, erzählt Julia Waibel.
Neu denken. Wer könnte das besser als die Jugendlichen selbst? Für das KONNEKTIV* haben sich zehn junge Menschen zusammengefunden. Manche bringen bereits Theatererfahrung aus Spielclubs mit, für andere ist es das erste Mal, dass sie mit Theater in Berührung kommen. „Das Besondere war: Das ganze erste Jahr konnten wir uns nur online per Zoom treffen. Und trotzdem sind wir zu einer echten Gemeinschaft zusammengewachsen“, erzählt die 17-jährige Mia, „und als wir uns dann zum ersten Mal live getroffen haben, war es, als würden wir uns schon seit Jahren kennen.“
Das KONNEKTIV* sind Leo, Ceyda, Zoby, Tuana, Levin, Mia, Luisa, Michael, April und Shreya.
Eines der größten Projekte, die sich das KONNEKTIV* vorgenommen hat, ist die Organisation des kommenden „Festival Junges Theater im Delta“. Die Idee dazu kam aus der Gruppe der Jugendlichen heraus. „Eines Tages kam Levin zu uns und meinte: „Warum wird ein Festival für Jugendliche nicht von Jugendlichen gemacht?“, erzählt Inga Schwörer. Die Diskussion darüber endete schlussendlich damit, dass das KONNEKTIV* stark in die Organisation des nächsten Festivals mit eingebunden wird. Das Festival Junges Theater im Delta wird jedes Jahr als Kooperation zwischen dem Nationaltheater Mannheim, dem Theater im Pfalzbau in Ludwigshafen, dem Theater und Orchester Heidelberg und dem assoziierten Partner Kinder- und Jugendtheater Speyer ausgerichtet. Es findet abwechselnd in Mannheim, Heidelberg oder Ludwigshafen statt. Hunderte theaterbegeisterte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene kommen dabei zusammen, die über eine Spielzeit hinweg in den Spielclubs der einzelnen Theaterhäuser Theater erleben, erforschen und verhandeln. Jeder Club präsentiert auf dem Festival seine Ergebnisse in Form von Werkschauen, fertigen Inszenierungen oder Performances.
Erstmalig in der Geschichte des Festivals wird nun im Juni 2022 die Jugendvertretung KONNEKTIV* als Gastgeber und Organisator des Festivals fungieren. Denn: Wer könnte besser Theater für Jugendliche machen, planen und feiern, als junge Menschen selbst? Die Organisation ist noch in den Kinderschuhen, die Ideen, Wünsche und Pläne der Jugendlichen müssen in Form gebracht werden. Was ist umsetzbar und was nicht? Wie wird die Lage mit und um Corona im kommenden Frühling sein? Trotz vieler Unwägbarkeiten ist das KONNEKTIV* Feuer und Flamme für „sein“ Projekt. Es wird noch viel diskutiert. Aber bei einem sind sich alle einig: Abschluss und Höhepunkt des Festivals soll ein rauschendes Fest sein – umgesetzt an verschiedenen Plätzen der Stadt. Wir sind gespannt!
bw // Fotos: Marco Schilling
Das KONNEKTIV* hat einen eigenen Instagramkanal: @das.konnektiv. Spielpläne, Clubs und Festivals auf: nationaltheater-mannheim.de