Weiblich, Mutter, sucht … … und sucht und sucht. Wer als Mutter in Teilzeit einen neuen Job finden möchte, braucht gute Nerven.
Denn auch wenn sich laut Statistischem Bundesamt der Anteil in Teilzeit arbeitender Frauen seit Mitte der neunziger Jahre nahezu verdoppelt hat – passende Stellenausschreibungen gibt es kaum. Ein bekanntes Online-Jobportal listet im Januar im Bereich Kommunikation deutschlandweit knapp 14.000 Ergebnisse auf. Wählt man im Filter jedoch „Teilzeit“ aus, bleiben gerade einmal 250 Angebote übrig, davon viele Werksstudentenstellen.
Katharina M.* kennt das. Die zweifache Mutter ist hervorragend ausgebildet, seit 15 Jahren im Beruf und findet trotzdem keinen neuen Job. Schlimmer noch. „Was ich erlebt habe, füllt ein ganzes Buch“, berichtet die Kommunikationsexpertin. „Bei einem großen Konzern war eine Senior-Teilzeitstelle ausgeschrieben. Nach meinem Vorstellungsgespräch habe ich wochenlang nichts von der Personalabteilung gehört. Schließlich kam heraus, dass die Stelle gar nicht besetzt wurde, dafür hatte das Team auf einmal zwei neue Junior-Kollegen in Vollzeit.“ In einem anderen Fall wurde Katharina M. zu zwei Gesprächen gebeten und erhielt dann eine Absage, weil man vom Vorstand keine Freigabe erhalten habe. Warum die Stelle dann überhaupt ausgeschrieben wurde, bleibt ein Rätsel.
„Zuletzt habe ich mich sogar auf Vollzeitstellen beworben, immerhin werben viele Unternehmen mit flexibler Arbeitszeit und Homeoffice-Modellen.“ Doch die Realität sieht anders aus. „Es tut uns leid, aber bei dieser Stelle brauchen wir unbedingt jemanden Vollzeit im Büro“, lautete die Antwort einer Personalerin auf die Frage, ob sich die Stelle für digitale Kommunikation teilweise im Homeoffice abbilden ließe. „Wohlgemerkt – es ging um digitale Kommunikation!“ Man merkt Katharina M. ihre Frustration an. Und die Vermutung liegt nahe, dass sich selbst familienfreundliche Arbeitgeber am Ende eines Bewerbungsprozesses für einen unkomplizierteren Kandidaten als eine Mutter entscheiden.
Dass das zu kurz gesprungen ist, zeigen zahlreiche Studien. Ob Hans-Böckler- Stiftung oder Institut zur Zukunft der Arbeit – alle bescheinigen Müttern mehr Produktivität, Effizienz und Organisationstalent. Wer schon einmal die Bedürfnisse verschiedener Familienmitglieder an einem normalen Wochentag unter einen Hut gebracht hat, ohne den Impftermin oder das Kindergeburtstagsgeschenk zu vergessen, der weiß, dass sie recht haben. Frauen mit Kindern haben den sogenannten Chancenblick und arbeiten äußerst lösungsorientiert, anstatt sich lange an Hindernissen aufzuhalten. Sie kommunizieren versiert mit unterschiedlichen Anspruchsgruppen, können gut motivieren und netzwerken – kurz: sie bringen viele Eigenschaften mit, die händeringend auf dem Arbeitsmarkt gesucht werden. Dass sich trotzdem noch viele Führungskräfte an der Angst vor Fehlzeiten wegen kranker Kinder abarbeiten, ist bedauerlich. Vielleicht
wäre auch hier ein bisschen mehr Chancenblick hilfreich.
„Keine Lust auf Altersarmut“
Was tun? Den Kopf in den Sand zu stecken, ist für Katharina M. keine Option. „Irgendeine“ Stelle annehmen? Volle Konzentration auf Haushalt und Kinder? Sie schüttelt den Kopf: „Ich liebe meine Arbeit und will finanziell unabhängig sein. Niemand weiß, was die Zukunft bringt. Und Lust auf Altersarmut habe ich definitiv keine.“ Dass die für viele Frauen ein reales Problem ist, bestätigt das Fraunhofer-Institut: Frauen erhalten im Vergleich zu Männern knapp 60 Prozent weniger Rente. Für Katharina M. kam der Impuls, sich in eine ganz andere Richtung zu orientieren, durch ihren Mann: „Er fragte mich, warum ich mich nicht selbstständig mache“, berichtet sie. „Erst habe ich ihn sehr skeptisch angeschaut. Aber je länger die Bewerbungs-Odyssee dauerte, desto mehr habe ich mich an die Idee herangetastet. Schließlich kann ich in meinem Beruf auch mein eigener ‚Herr‘ sein.“ Weil Alternativen auf dem Arbeitsmarkt fehlen, gewinnt weibliche Selbstständigkeit an Bedeutung: KfW-Gründungsmonitor gibt an, dass die Zahl der Existenzgründungen von Frauen im Jahr 2018 um vier Prozent gestiegen ist.
Der Schritt ins Unternehmertum will gut überlegt sein – vor allem, wenn es eine echte Jobalternative sein soll. Das bestätigt auch Lena Rübelmann, Community Managerin im Gründerinnenzentrum gig7 in Mannheim, das seit 2002 Frauen in der Wirtschaft unterstützt. Sie betont: „Eine langfristige Planung und eine neutrale Beratung sind essenzielle Bausteine. Dabei ist es immens wichtig, ehrlich gegenüber sich selbst zu sein: Wie viel Geld brauche ich monatlich, um gut leben zu können? Wie sichere ich mich ab? Und wie viele bezahlte Arbeitsstunden kann ich pro Woche leisten? Schließlich nehmen auch Themen wie Buchhaltung oder Akquise viel Zeit in Anspruch, ohne dass dafür Geld fließt.“ Als weitere Erfolgsfaktoren nennt Lena Rübelmann ein unterstützendes Netzwerk, Zuverlässigkeit gegenüber den Kunden und Leidenschaft für die Sache: „Es mag abgedroschen klingen, aber gerade das Finden neuer Kunden und das Selbstmarketing werden zur Hürde, wenn man nicht für das eigene Vorhaben brennt.“
Sind diese Rahmenbedingungen gegeben, steigt die Wahrscheinlichkeit für ein langfristiges Unternehmerdasein: 80 Prozent der Frauen, die sich nach der Vorgründungsberatung im gig7 selbstständig machen, sind länger als fünf Jahre auf dem Markt. Eine Zahl, die sich sehen lassen kann, schließlich geben rund 30 Prozent der Gründer das Vorhaben Selbständigkeit innerhalb der ersten drei Jahre wieder auf. Katharina M. ist mit ihrer eigenen Planung mittlerweile ein gutes Stück weitergekommen. „Ich war beim Institut für Freie Berufe und werde die Vorgründungsberatung am gig7 in Anspruch nehmen. Außerdem habe ich mich mit anderen Freiberuflern ausgetauscht, um einen Einblick in die Arbeitsweise und -bedingungen zu bekommen.“ Wie wahrscheinlich ist es nach diesen Eindrücken, dass sie ab 2020 zu den mehr als 200.000 Frauen zählt, die jährlich die Selbstständigkeit wagen? „Die Chancen stehen fifty-fifty. Größtes gedankliches Hindernis ist für mich aktuell die Tatsache, nach einer Gründung keine Kollegen mehr zu haben. Ich weiß natürlich, dass es dafür mit Co-Working oder Netzwerken Lösungen gibt. Aber auch die muss man sich erst einmal aufbauen. Auf jeden Fall ist die Selbstständigkeit kein vages Hirngespinst mehr, sondern eine Jobalternative, die ich selbst in die Hand nehmen kann. Und allein das ist großartig.“
bas // Fotos: Adobe Stock, Gregory Lee
* Name von der Redaktion geändert
Quellen: genesis.destatis.de, bmfsfj.de, kfw.de