Wer ein Kind bekommt, wer Mutter, Vater wird, der steht ganz am Anfang einer langen Reihe von Veränderungen, von Metamorphosen, von Umstürzen, Rück- und Neubesinnungen. Beständiger Begleiter ist ab sofort die Sorge: Sind wir gute Eltern? Mütter und Väter stellen sich regelmäßig selbst infrage. Wir Eltern häuten uns wie Peer Gynt, wie eine Zwiebel. Am Anfang, sind die Kinder gerade geboren, fühlen wir uns noch vollständig. Doch ganz schleichend werden wir immer empfindlicher, ängstlicher. Denn: Ein Teil von uns braucht uns, um überleben zu
können und ist doch unberechenbar unserer Kontrolle entzogen. Uns wird im Laufe der ersten Jahre schmerzhaft klar: Wir können unsere Kinder nur begleiten, wir können diese kleinen Persönlichkeiten, die wir ja geschaffen haben, nicht verändern. Natürlich können wir uns bestimmte Dinge für ihre Zukunft wünschen.
Aber etwas erzwingen? Gegen ihren Willen? Das funktioniert nicht. Mussten wir irgendwann einsehen. So leben wir seitdem in einem beständigen Prozess des Abwägens: Das Kind will nicht in die Schule. Zwinge ich es? Das Kind möchte im Winter mit Badeanzug losgehen. Halte ich das aus? Das Kind wirft sich beim Abholen im Kiga auf den Boden und hört nicht auf zu brüllen. Halte ich das auch aus? Oder schnappe ich es mir schnell und fliehe nach draußen?
Je größer die Kinder werden, umso schwieriger wird es, die Balance zwischen
elterlicher Verantwortung und dem Recht des Kindes auf Selbstbestimmung zu finden. Wir tragen und trösten, wir stillen und stehen nachts auf. Vielleicht versuchen wir nach dem Motto „Beziehung statt Erziehung“ zu leben und machen uns doch heimlich Sorgen, dass aus dem Kind „nichts wird“. Dass es ohne Abschluss, ohne Umgangsformen, ohne Ehrgeiz in einer auf Erfolg getrimmten Welt bestehen muss. Natürlich wollen wir keinen Wettbewerb für unser Kita-Kind, können aber Gedanken wie „Das andere Kind kann ja schon lesen … und dieses Mädchen da, die trennt sich morgens ohne Probleme!“ nicht verhindern.
Wir müssen also Grenzen setzen. Nicht den Kindern, sondern uns selbst.
Aber zurück zum Eigentlichen: Wir wollen, dass es unseren Kindern gut geht. Da sind sich alle Eltern einig. Wir wünschen uns, dass der Schaden, den wir ihnen durch unsere Erziehung zufügen, möglichst gering ist. Dass sie ohne Narben durch die Schulzeit und die Pubertät kommen. Und dafür sind wir als Eltern bereit, uns aufzugeben. Bis nichts mehr geht. Nur, warum rebellieren die Kinder trotzdem? Warum funktionieren sie nicht? Obwohl wir alles für sie tun? Werden krank, senden eindeutige Alarmsignale aus. Spätestens jetzt wird uns klar: in einer Familie muss es allen gut gehen. Sind die Eltern zufrieden und stark, sind die Kinder, meistens jedenfalls, glücklich und gesund. Wir müssen also Grenzen setzen. Nicht den Kindern, sondern uns selbst. Wir müssen unsere Grenzen spüren, damit wir ihre Grenzen achten können. Und damit die Familie zu mehr Entspannung im Alltag gelangt.
bw// Foto: istock
Übrigens:
In der aktuellen Print-Ausgabe stellen wir unterschiedliche Konzepte für Familien vor, präsentieren Tipps und Termine und überlegen, was man machen kann, wenn es mal nicht so gut läuft.