Was muss ein Kind können, bevor es in die Schule kommt? An der Frage haben sich schon zahlreiche Pädagogen, Wissenschaftler und natürlich Eltern versucht. Einen Zahn verloren haben, den eigenen Namen schreiben können, sich selbständig an- und ausziehen können … die Liste mit Fertigkeiten, die ein schulreifes Kind mitbringen sollte, ist lang. Was aber sollte in den sechs Jahren vor der Einschulung passiert sein, damit ein Kind nicht nur „schulreif“, sondern stark in die Schule kommt?
Adolf Timm und Klaus Hurrelmann wenden sich in dem vor kurzem im Beltz Verlag erschienenen Ratgeberbuch für Eltern der Frage zu: Was Kinder vor der Einschulung brauchen. Als handliches Taschenbuch, prägnant und verständlich geschrieben, übersichtlich aufgebaut ist „Stark in die Schule“ ein rundum spannendes Buch für Eltern – auch ohne pädagogisches Vorwissen.
Das Autorenteam ist überzeugt: Vom ersten Lebenstag an sind Mütter und Väter die wichtigsten Entwicklungshelfer auf dem Bildungsweg ihres Kindes. Bildung, so Hurrlemann, beginnt also nicht erst in der Schule. Der wichtigste Lernort der Kinder ist und bleibt die Familie. Ihr Einfluss auf den Schulerfolg ist größer als der von Lehrern und Unterricht zusammen. Familie, so Hurrelmann, sei demnach logischerweise eine Einrichtung des Bildungswesens und müsse natürlich entsprechend anerkannt und gefördert werden. Eltern und Kinder und auch Lehrer müssen zu Bildungspartnern werden.
Hurrelmann und Timm weisen nach, dass für den späteren Schulerfolg nicht ein frühes kognitives Training hilfreich ist, sondern dass es vor allem auf die Ausbildung einer Selbst- und Sozialkompetenz ankommt: Ausdauer, Selbstbeherrschung, Neugier, Gewissenhaftigkeit, Mut Selbstvertrauen, Disziplin, Konzentrationsvermögen, Optimismus.
Und die entscheidende Grundlage bilden die drei A’s des „magischen Erziehungsdreiecks“: Anerkennung, Anleitung. Anregung. Das habe, so das Autorenteam, übrigens nichts mit einem „Frühförderwahn“ und dem Besuch möglichst vieler Kleinkind-Kurse zu tun, sondern mit einem positiven Selbstbild des Kindes. Mit Liebe, denn die macht schlau. Und mit Matsch. Der macht nämlich glücklich. Auch der kritische Blick auf die deutsche Familienpolitik fehlt nicht. Ebenso wenig wie der Blick auf die Nachbarländer, wo das Experiment Kinder und Karriere müheloser zu gelingen scheint. Das Kinderkriegen in Deutschland, so Hurrelmann, sei zu einem unkalkulierbaren Risiko geworden.
„Von der Gesellschaft übersehen, von der Politik an den Rand gedrängt und von den Nachbarn als Störenfriede angesehen, sind Kinder in unserem Land längst zum Ausnahmefall geworden. Alle scheinen sich daran gewöhnt und damit abgefunden zu haben. Deutschland erweckt den fatalen Eindruck, Kinder seien verzichtbar, weil doch für alles und alle gesorgt sei.“
Die Autoren:
Dr. Klaus Hurrelmann gehört zu den bekanntesten Kindheits- und Jugendforschern in Deutschland. Seit 1979 Professor an der Universität Bielefeld, wo er Sozial- und Gesundheitswissenschaft lehrte, ist er heute Professor of Public Health and Education an der Hertie School of Governance in Berlin. Er leitete von 1986 bis 1998 das Kooperationszentrum »Health Behavior in School Children« der WHO.
Adolf Timm hat Unterrichtserfahrung in der Grundschule, der Hauptschule, der Realschule und im Gymnasium. Er war in der Lehrerbildung Schleswig-Holsteins tätig und langjähriger Schulleiter der »Europaschule Timmendorfer Strand«. In Zusammenarbeit mit Klaus Hurrelmann hat er das potenzialorientierte Elterntraining »Die Gesetze des Schulerfolgs« entwickelt, das bundesweit im Einsatz ist. Als Buchautor setzte er sich für eine »Familie-Kita-Schule-Partnerschaft« ein.
Adolf Timm/Klaus Hurrelmann: Stark in die Schule. Was Kinder vor der Einschulung brauchen. 9 Kompetenzen für den Schulerfolg, 14.59 Euro, Beltz Verlag Weinheim, 2015