Googelt man die Begriffe „Coaching“ in Kombination mit „Kindern und Jugendlichen“, so spuckt das Netz eine Vielzahl von Kombinationen aus: Motivations-, Lern- oder Erfolgs- Coaching, Alltagcoaching, Beziehungscoaching und vieles mehr. Wir haben uns gefragt: brauchen Kinder wirklich einen Coach, um gut durch Kindheit und Jugend zu kommen; sollten nicht wir Eltern ihre Anker in schwierigen Situationen und krisenhaften Zeiten sein? Fakt ist: Immer mehr Erwachsene nehmen die Dienste eines professionellen Coaches in Anspruch. Große Firmen, Betriebe, Unternehmen lassen einzelne Mitarbeiter oder ganze Abteilungen coachen. Mit Erfolg. Wenn sich Kinder schlecht fühlen, sich zurückziehen, ungern in die Schule gehen oder plötzlich körperliche Symptome zeigen, so ging man früher zum Kinderarzt. Konnte dieser nicht weiterhelfen, und war man als Eltern aufgeschlossen, so wurde ein Heilpraktiker, ein Osteopath und dann auch irgendwann ein Psychotherapeut aufgesucht. Bei speziellen Schulproblemen hilft heute der Logopäde, die Nachhilfe. Und jetzt also auch ein Kinder-Coach?
Als mein Sohn in der fünften Klasse war, wollte er plötzlich nicht mehr in die Schule gehen. Er konnte nicht erklären warum, aber er hatte über Monate hinweg panische Angst, das Haus zu verlassen. Wären wir als Familie ehrlich gewesen, so hätten wir bemerken müssen, dass er Angst hat, dass sich seine Eltern streiten – oder trennen – während er nicht zu Hause war. Auf seinen zarten Schultern lag das zentnerlastschwere Gefühl, verantwortlich zu sein. Statt dass wir uns die Situation eingestanden hätten, schleppten wir ihn von Arzt zu Arzt. Ließen Allergien und Rückenprobleme abklären, einen Lungentest machen, gingen zum Homöopathen. Der sah uns streng und wortlos an und verschrieb die gewünschten Globuli. „Ihr müsst ihn beschützen, nicht er euch“, gab er uns Eltern mit auf den Weg. Im Nachhinein wäre vielleicht ein Coach, der unseren Sohn und uns auf den Weg bringt, genau das Richtige gewesen.
Eigentlich stammt der Begriff Coach aus dem Angelsächsischen und heißt schlicht und einfach „Kutsche“. Ein schönes Bild: Wie in einer Kutsche wird man sicher und trocken von einem Ort zum Ziel gebracht. Der Begriff wurde in den 60er Jahren im sportlichen Bereich etabliert, in den 80er Jahren dann als Special Treatment für Führungskräfte.
Kinder in der Krise
Die Coronavirus-Pandemie veränderte nicht nur den Alltag von Erwachsenen, sondern vor allem auch den der Kinder von Grund auf. Um herauszufinden, wie Kinder ohne Kita und Schule, ohne Kontakt zu Gleichaltrigen und Pädagogen zurechtkommen, hat das Deutsche Jugendinstitut (DJI) eine Online-Befragung durchgeführt. Mehr als 8.000 Eltern von Kindern im Alter von drei bis 15 Jahren beteiligten sich. Ein Drittel der befragten Eltern gab an, dass ihr Kind Schwierigkeiten hat, mit der Situation umzugehen und zeigten sich unsicher, wie sich diese Zeit auf die Zukunft der Kinder auswirken werde. Wäre das auch ein Fall für ein Coaching? Aber gibt es eines gegen Zukunftsangst?
Einer, der es wissen muss, ist der dreifache Familienvater und Online-Teenager-Coach Waldemar Krupski (wakr.coach/wakr). Spezialisiert auf das Coaching für Third Culture Kids (TCK‘s*), also Kindern, die einen bedeutenden Teil ihrer Entwicklungsjahre außerhalb der Kultur ihrer Eltern verbracht hat, sucht er gemeinsam mit den Teenagern nach Antworten auf Fragen wie: „Wieso ecke ich überall an?“, „Woher kommen meine Wutausbrüche?“, „Warum habe ich auf nichts Bock und warum komme ich mit nichts mehr klar?“
„Du bist schon gut. Aber du kannst noch besser werden“
Wir erreichen Waldemar Krupski in der Schweiz, auf Heimaturlaub. Eigentlich lebt er im Senegal und schon allein deshalb hat er sich vor fünf Jahren auf die Online-Variante spezialisiert. Aber inzwischen ist er vom Online-Coaching restlos überzeugt, gerade was Teenager betrifft. „Um Jugendliche zu erreichen, muss ich dahin gehen, wo sie sind. Und Jugendliche sind nun mal nahezu immer online.“ Gerade bei schamhaft besetzten Themen fiele es Jugendlichen viel leichter sich zu öffnen, wenn etwas Distanz, sprich digitale Distanz, dazwischenstehe. Generell müsse man Coaching für Teenager sportlich sehen. „Ich sage zu den Jugendlichen immer: Geh einfach davon aus, dass Du schon sehr gut bist. Aber du willst in die oberste Liga. Und da begleite ich Dich hin.“
Auch Sabine Unrath, Kinder- und Jugendlichencoach aus Birkenau (sabine-unrath.de) sieht die Stärke eines Coachings für Kinder und Jugendliche nicht darin, Lösungen zu versprechen, sondern „Ressourcen“ zu aktivieren. Ansprechpartnerin zu sein. „Früher konnten Eltern diese Rolle ausfüllen“, erklärt sie. „Aber heute haben Familien einen prall gefüllten Terminkalender. Die Lebenssituation hat sich stark verändert und wenn die Kinder aus Schule und Hort nach Hause kommen, sind die Eltern selber müde und erschöpft.“ Kinder kommen mit den unterschiedlichsten Problemen zu ihr in die Praxis. Oft sind es Schulprobleme, mangelnde Konzentration, aber auch Mobbingerfahrungen; sie fühlen sich mutlos und ohne Selbstbewusstsein. Und obwohl viele Kinder mit Schulproblemen kämen, dürfte „ein Coaching kein Optimierungstool zur Leistungssteigerung sein“, betont Sabine Unrath. Sondern eine Möglichkeit Blockaden zu lösen und zu innerer Stärke zu kommen. Denn diese habe jedes Kind, man müsse sie nur aktivieren.
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