Vater, Papa, Baba, Daddy, אבא … Bezeichnung, Kosename, Anrede, Lieblingswort. Die Rolle des menschlichen Vaters ist einmalig, und bei keiner anderen Spezies ist ihre Wirkung so entscheidend, schreibt die in Oxford lebende Autorin Anna Machin in ihrem erkenntnisreichen Sachbuch „Papa werden“ und stellt fest: Das „Vatersein sei ein Verhalten, ohne das es unsere Art schlichtweg nicht mehr geben würde“. Aber dazu später mehr.
Erst einmal schauen wir uns den „modernen Vater“ genauer an, über den zurzeit alle sprechen und dem durch die pandemiebedingte Familienzeit ganz neue Welten geöffnet wurden: „Mann“ sah, staunte, war gestresst – und schrieb darüber. Gab Interviews, wie das geht mit der aktiven Vaterschaft und der Vereinbarung. Plötzlich bekam das Thema „Mental Load“ eine ganz andere Bedeutung. Einkaufszettel, Küche putzen, Wer-darf-wann-im Home-Office-arbeiten-und-wer-betreut-heute-Diskussionen. Aber auch das Bewusstsein wurde stärker: Die Rolle als Zaungast, als Wochenend- Spaß-Vater, als Ernährer und „Helfer“ im Haushalt, all das reicht nicht mehr. Plötzlich wollte man mehr. Mehr Beziehung zu den Kindern. Mehr Teilhabe am Laternebasteln im Kindergarten, einfach mehr Alltag, dem Kitt, aus dem sich Kindheiten zusammensetzen. Einfach mehr von dem ganzen heißen Scheiß!
„Ich bin richtig gerne Vater. Es ist auch anstrengend und nervt, und es macht vorne und hinten keinen Sinn, ich kann das alles wirklich überhaupt nicht empfehlen. Es ist wie Pommes und Currywurst: Macht eigentlich keinen Sinn, ist aber total geil,“ antwortete der Rapper Danger Dan in einem Interview.* „Woran erkennt man einen guten Vater?“, fragte unlängst das Magazin „Men‘s Health“** und bekam selbstbewusste, aber auch zögernde Antworten. Was ist das überhaupt, ein guter Vater? Wir haben für diesen Text einige getroffen. Hingebungsvolle, pragmatische, starke Väter.
„Wir sind ein gutes Team“
„So willst du dich fotografieren lassen? So klischeehaft?“ Birgitta Wallitzer-Eck ist kritisch. Der Fotograf ist gekommen und hatte die Order mitgebracht, den Protagonisten in einer für ihn typischen Situation abzulichten. Aber so, beim Kochen? Trotz kurzer innerfamiliärer Diskussion: Holger Wallitzer-Eck bleibt dabei. Er ist nun mal fürs Kochen verantwortlich. Und auch für sonst alles, was anfällt mit den Kindern und im Haushalt. Der 54 Jahre alte ehemalige Pädagoge und Journalist hat vor vielen Jahren mit seiner Frau die „Rollen getauscht“.
Während er zuhause bleibt, arbeitet Ehefrau Christiane Eck in Vollzeit als Lehrerin. Die beiden haben zwei Kinder, eine 17-jährige Tochter und einen 15-jährigen Sohn, der das Down-Syndrom hat. Die Rollenaufteilung ergab sich ganz natürlich. „Bereits vor der Geburt unserer Tochter 2004 haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir unsere Familie organisieren möchten“, erzählt er. „Da meine Frau verbeamtete Lehrerin mit vollem Deputat ist, war die finanzielle Versorgung gesichert. Für mich sah der damalige Arbeitsmarkt nicht besonders rosig aus.“ Schwer sei ihm die Umstellung nicht gefallen, „denn ich selbst komme aus einer sehr kinderreichen Familie und habe das Familienleben sehr genossen. Ich fand das damals sehr spannend, die rasante Entwicklung unserer winzigen Tochter täglich, stündlich, minütlich direkt und intensiv mitzuerleben. Vielen arbeitenden Vätern und Müttern entgehen solche kleinschrittigen Entwicklungen möglicherweise. Ich dagegen habe jeden noch so winzigen Schritt direkt erlebt. Das hat mich immer sehr bewegt.“
Nach einem Jahr Elternzeit entschied sich der Hobby-Jugendtrainer ganz auszusteigen. „Unser bisheriges Familienmodell hat uns allen sehr gutgetan. Meine Frau
wurde nochmal schwanger. Unser Sohn kam zur Welt. Die Tatsache, dass er das Down-Syndrom hat, ließ unsere gute Familienstruktur noch enger zusammenwachsen und erweiterte sie um eine für uns neue große Aufgabe. Die lange vorher getroffene Entscheidung, dass nicht beide arbeiten, hatte sich als stimmig herausgestellt.“
Bleiben Mütter auch nach der Elternzeit zuhause, ist dies für ihre Umwelt in erster Linie eine private Entscheidung, normal eben, „wer es sich leisten kann …“ Aber bei einem Mann? „Die Reaktionen meines Umfeldes damals waren sehr unterschiedlich, aber überwiegend positiv. Es gab auch archaische Ansichten und Äußerungen wie „…lässt du dich von deiner Frau aushalten…?“ Das war und ist heute noch ärgerlich, aber das muss man wegstecken. Großartige Reaktionen erhielt ich, wenn ich mit meiner Tochter im Wickeltuch zum Einkaufen gegangen bin. Vorwiegend ältere Damen fanden das richtig prima und äußerten das auch.“
Seit 2007 haben Väter in Deutschland das Recht, in Elternzeit zu gehen. Nur jeder zweite Vater nahm und nimmt es in Anspruch. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) ergab: Väter fürchten finanzielle Verluste und einen Karriereknick. Dabei haben Väter heute zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit tatsächlich die Möglichkeit, von Anfang an dabei zu sein – beim Abenteuer Kind. Unser Wohlstand, ein engmaschiges soziales Netz bieten die besten Voraussetzungen.
„Streit über die Verteilung der Aufgaben gab es eher selten bei uns. Diskussionen mit unseren nun älter gewordenen Kindern über ihre Aufgaben im Haushalt sind hin und wieder an der Tagesordnung.“
„Das Thema finanzielle Abhängigkeit war zum Glück nie eines bei uns“, erzählt Holger Wallitzer- Eck. „Das hat etwas mit gegenseitiger Würdigung und Respekt zu tun. Ich wünsche den Frauen, die den Familienjob machen, dass sie von ihren Männern auch die angemessene Anerkennung und Gleichwertigkeit erfahren, wie ich es von meiner Frau erhalte. Wir sind ein gutes Team.“ Auch bei der Aufteilung der Care-Arbeit herrscht Harmonie. Das liegt vielleicht auch daran, dass es beide etwas lockerer sehen, mit dem Aufräumen und Putzen. „Meine Frau hilft trotz „Fulltimejob“ im Haushalt mit, wo sie kann. Aber einkaufen, kochen, sauber machen, Finanzen, Arzt- und Freizeittermine der Kinder und Schriftverkehr sind vorwiegend meine Aufgaben.“
Einen dringenden Rat hat der engagierte Vater noch für alle arbeitenden Männer, die sich eine Familie mit Kindern wünschen: „Jeden Moment zu genießen und jede freie mögliche Minute dort zu investieren.“
Zurück zu Anna Machin und ihren soziologischen Überlegungen zur komplizierten Geschichte der Vaterschaft. Die Autorin untersucht Familienkonstellationen in bäuerlichen, industrialisierten Gesellschaften, betrachtet konservative oder freie Familienformen und zitiert zahlreiche Studien zur Funktion des Vaters in diesen unterschiedlichen Gemeinschaften wie hohen indischen Kasten, bei kongolesischen Jägern und Sammlern oder auch Wirtschaftsanwälten aus Boston. Überall gebe es einen gemeinsamen Nenner: Die Vater-Kind-Beziehung sei für Kinder die Quelle der Individualität und Autonomie und letztlich des gelungenen Lebens.
Übrigens: Mit „Vater“ meint die Autorin dabei nicht ausschließlich den Erzeuger und noch nicht einmal unbedingt einen Mann, sondern ganz einfach ein zugewandtes Familienmitglied, das bereit ist, die Vaterrolle anzunehmen. Die positive Wirkung von Vätern entfalte sich auch nicht, weil sie besonders männlich agieren. Sondern weil sie die gleichen elterlichen, beschützenden, umsorgenden Qualitäten haben und einsetzen können wie Mütter.
Text: Bettina Wolf // Fotos: Philipp Reimer (@philippreimer.de)
*https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/interview-mit-danger-dan-ueber-sexismusim-deutschrap-15609222-p3.html
**https://www.menshealth.de/familie-vaterschaft/woran-erkennt-man-einen-guten-vater