Projekt Kinderbrot

„Das beste Brot, das ich je gebacken habe!“

Brotback-Erlebnis beim „Projekt Kinderbrot“. Bäcker- und Konditormeister Michael Kress lud am vergangenen Sonntag zum Backfinale seiner Brot-Sommelier-Ausbildung. Vier Familien mit insgesamt 14 Kindern kommen im Gemeindesaal der Weinheimer Markusgemeinde zusammen. Es wird gerührt, geknetet und natürlich gebacken.

Sie heißen Blue Velvet, Schwarzer Emmer und Waldstaudenroggen. Sie duften nach Heu und Wiese und Wald. Die Rede ist natürlich von alten Getreidearten. Sorgfältig angebaut und fein gemahlen. Sie bilden die Grundlage für das Projekt Kinderbrot.

Sie heißen Felix, Moritz, Lena, Hannah und Ida und alle sind echte Brot-Fans. „Wir essen jeden Abend Brot“, erzählt die 6-jährige Theresa und ihre 11-jährige Schwester Hannah nickt eifrig. Damit sind die beiden Schulmädchen und ihre Mutter natürlich die prädestinierten Teilnehmer für das Projekt Kinderbrot. Ebenso wie Ida und ihr kleiner Bruder Johann, samt Mutter Annette. Und auch alle anderen Familien hier sind einfach begeistert.

„Angefangen hat alles damit, dass uns Micheal Kress Test-Brote nach Hause gebracht hat. Immer unterschiedliche. Die Kinder und wir haben sie probiert und Feedback gegeben und so hat er nach und nach die Rezepte verändert und verfeinert“, erzählt Annette. Heute, für das Backevent, durfte sich jedes Kind ein Brot aussuchen. Ida backt ein Allesschmeckerbrot aus hellem Mehl. Der fünfjährige Johann hat sich zur Überraschung der Familie für ein Körnerbrot entschieden („eigentlich ist er richtig wählerisch, was Brot betrifft und mag am liebsten nur Toastbrot“, erzählt seine Mutter). Die 12-jähjrige Helena backt ebenfalls ein Körnerbrot mit Leinsamen und Sesam, wirft aber ab und zu neidische Blicke auf den Nebentisch. Denn hier backen Hannah und Theresa jeweils ein Schokoladenbrot. Noch einen Tisch weiter werden Apfel- und Karottenbrote geknetet und zubereitet. So vielfältig wie die Rezepte, werden auch die Ergebnisse am Ende sein. Aber erst einmal vergraben die Kinder ihre Hände tief in den Schüsseln mit dem Sauerteig. Den Sauerteig hat jede Familie am Tag zuvor zuhause vorbereitet und heute mitgebracht. „Ich wollte, dass die Kinder wirklich von Anfang an erleben, wie ein Brot entsteht“, erzählt der dreifache Familienvater Michael Kress, während er von Tisch zu Tisch geht, ab und zu Hilfe anbietet, noch etwas Mehl zugibt oder plaudert. Aus diesem Grund entschloss er sich, seine Abschlussarbeit den Themen Kinder und Brot zu widmen, zwei seiner Herzensthemen. „Die Kinder sollen nicht nur den Prozess des Backens erleben können, sondern auch sehen, wieviel Arbeit und Sorgfalt und Liebe in einem Brot steckt. Und auch, woher unser Brot eigentlich kommt …“

Ja, woher kommt eigentlich das feine Mehl mit den ungewohnten Namen: Emmer oder Blue Velvet?

Stefanie Dehn kann uns hier weiterhelfen. Sie ist die Geschäftsführerin der „Urkornpuristen“ und heute ebenfalls vor Ort. Die Urkornpuristen, also Stefanie Dehn und Landwirt Reinhard Hecker, betreiben einen Bauernhof in Eppingen, der sich als einer der wenigen in Deutschland der sorgfältigen Pflege alter Getreidearten widmet und diese in einem Online-Shop vertreibt. Angebaut werden Dinkel, Roggen und andere alten Getreidearten mit viel Abstand auf den Feldern und viel Natur am Feldrand, so dass Insekten und kleine Tiere ebenfalls Platz und Nahrung finden. Gedüngt und behandelt wird ohne jede Chemie und gentechnikfrei. Ist das Getreide reif, wird es auf eine schonende Art gelagert und anschließend in einer, nach speziellen Plänen gebauten, Mühle zu feinstem Mehl pulverisiert. „Das Besondere an diesem Vollkornmehl ist, dass es alle Bestandteile des vollen Korns enthält, inklusive Keimling, dass es aber nicht nach Vollkornmehl schmeckt“, erklärt Bäckermeister Michael Kress. „Und deshalb schmeckt es auch Kindern.“

Ein Ausflug zu den Urkornpuristen gehört ebenfalls zum Projekt Kinderbrot. Alle Familien machten sich im Sommer auf den Weg nach Eppingen, um dem Getreide beim Wachsen zuzusehen. „Wir sind sogar zweimal hingefahren, obwohl es ja nicht direkt um die Ecke liegt“, erzählt Annette, die Mutter von Ida und Johann. „Aber die Kinder wollten unbedingt dabei sein, wenn geerntet wird und dann durften sie sogar auf dem Mähdrescher mitfahren. Es war ein tolles Erlebnis.“

Inzwischen ist der Teig an allen Tischen soweit in Form gebracht, dass er gefaltet werden kann. Gar nicht so einfach, wenn er immer wieder an kleinen Kinderhänden kleben bleibt. Entsprechend oft werden die Masken wieder aufgezogen und es wird zum Händewaschen geflitzt. (Ein, zwei kleine Pausen am Tischkicker kann offensichtlich auch nicht schaden …) Doch dann geht es wieder nur um den Teig. Vier Mal soll er mit feuchten Händen gefaltet werden, bevor er sich ein letztes Mal in der Schüssel ausruhen darf. Salz, Milch, Honig und kalte Milch, sowie Hefe wurden bereits hinzugefügt. Auch ganz kleine Kinder bekommen die Maßeinheiten der Zutaten selbständig „gebacken“: gearbeitet wird hier mit der so genannten Becherküche. Fünf Löffel in fünf unterschiedlichen Farben und Größen hängen an einem kleinen Ring und kommen nacheinander zum Einsatz. Die Kinder müssen nur einen Blick auf das Rezept werfen, ohne lesen und schreiben zu können, um zu sehen, wieviel Salz und wieviel Öl in den Teig kommen.

Und dann ist es soweit, noch schnell die gewürfelten Apfel- oder Schokoladenstücke im Teig verteilen und alles schön in die Backform drücken, den Backofen vorheizen und dann ab in den Ofen mit den Broten. Mhhh, wie das duftet! Und die Ergebnisse können sich sehen lassen. Speziell das Schokoladenbrot. Es leuchtet in dunklen warmen Farbnuancen. „Das kommt aber nicht von der Schokolade“, erklärt Michael Kress, „sondern von dem Rotkornmehl. Es hat einen wunderbar nussigen Geschmack und wir haben diesen Teig zusätzlich noch mit Zimt und in Orangensaft eingeweichten Flocken verfeinert. Deshalb schmeckt es auch nicht süß, sondern eher herb.“

Felix, Moritz und Lena, die drei Kinder des 44-Jährigen Brot-Sommeliers in spe sind, ganz klar, heute auch dabei und backen schon richtig professionell. Zumindest die beiden Jungs, die zweijährige Lena genießt ganz offensichtlich vor allem das Rühren und Kneten. Viel zu schnell ist der Vormittag vorbei, aber natürlich darf jedes Kind sein Brot mit nach Hause nehmen. Die frischen warmen Brote duften nach Orangen, nach Nüssen, nach Honig. „Das ist das beste Brot, das ich je gebacken habe“, erklärt einer der kleinen Teilnehmer. „Das war auch dein erstes, oder?“, fragt seine Mutter und lacht.

Mehr zum Projekt Kinderbrot unter:

Bäckerei Konditorei Kress, Königsberger Straße 4-6, 69469 Weinheim, 06201 12617 und unter: @kinderbrot  (die FB-Seite ist noch nicht online, soll heute oder morgen online gehen …).

Urkornpuriste: www.urkornpuristen.de

Kindgerechte Backutensilien: www.becherkueche.de

 

26. August 2021