Folge XXXVIII: Auf Regen folgt Sonnenschein
Es knackt und kracht kurz, dann kann ich sie sehen. Tina und Paulina, die dick eingemummelt auf dem heimischen Sofa sitzen. Gefühlte 20 Grad, eine Menge Sand, zwei dicke Pullover und mehrere tausend Kilometer trennen uns, als wir via Video telefonieren. Wie der Zufall es so will, befinde ich mich gerade ausgerechnet auf der Insel, auf der wenig später Paulina ihre Füße in den Sand stecken wird. So kann ich für sie schon mal „vorfühlen“.
Tina: „Zeig’ uns mal das Meer“.
Wird gemacht. Die Sonne strahlt, das Wasser glitzert, der Sand knirscht leise unter den Füßen. Postkartenidylle. So drehe ich mich am Strand um die eigene Achse, damit Paulina auch ja die ganzen 360° mitbekommt. Paulinas Augen werden immer größer und es fehlt nicht mehr viel, dass sie mit ihrer Nase am Handydisplay andopst. Im nächsten Moment rutscht sie ungeduldig auf dem Sofa hin und her und stupst schließlich ihre Mama an.
Tina: „Sie möchte dir etwas Wichtiges sagen.“
Paulina: „Achtung Anki, es fängt bald an zu regnen.“
Instinktiv schaue ich in den Himmel, kann über mir aber nicht den Hauch einer Wolke entdecken. Aber Paulina lässt nicht locker und zeigt aus dem Fenster. Und sie hat recht: Der Himmel über ihr in Deutschland ist grau und wolkenverhangen. Also schickt sie mir einen kleine Warnung, schließlich sind wir doch unter dem gleichen Himmel, oder? …
Wenige Tage später wird es auch für Paulina ernst. Aber bis dahin ist erst einmal Packen angesagt. Zwischen Koffern, Windeln und Badeanzügen sitze ich mit Tina im Wohnzimmer. Paulina ist im Kindergarten, ihre kleine Schwester Luisa schaut uns mit großen Knopfaugen beim Kaffeetrinken zu und macht die ersten „Turnübungen“.
Ich: „Wie macht sich Pauli denn als große Schwester?“
Tina: „Sie wächst immer mehr in diese Rolle hinein und ist sehr fürsorglich. Luisa dreht sich schon und ist schnell unzufrieden, weil sie sich noch nicht zurückdrehen kann. Aber ich habe aber ja eine fleißige, kleine Helferin, die Luisa wieder zurückdreht, wenn sie sich beschwert.“
Ich: „Und wie harmonieren die beiden miteinander?“
Tina: „Es klappt ganz wunderbar. Pauli ist total verliebt und sagt immer ,Du bist meine beste Luisa’. Das ist sehr süß. Und Luisa ist super pflegeleicht und lässt sich durchs nichts aus der Ruhe bringen. Selbst nicht, wenn Paulinas Turm aus Bauklötzchen lautstark umstürzt. Keinen Mucks. Die Ruhe selbst.“
Während die Kleine langsam, aber sicher ihre Umgebung erkundet, kommen für Paulina in ihrem Alltag immer mehr Dinge hinzu, die wir Großen schon all zu gut kennen. So stand für sie ihr erster richtiger Friseurbesuch an. „Eines morgens hat sie plötzlich gesagt: Ich will jetzt zum Friseur“, sagt Tina, die mir ein Foto zeigt. Paulina sitzt stolz auf einem Friseurstuhl, der wie ein Motorrad aussieht, und strahlt bis über beide Ohren – Tina hingegen schaut ein wenig geknickt. „Die letzten Babyhaare sind nun weg“, sagt sie und streichelt der kleinen Luisa über den Kopf. Keine Sorge, Tina. Bis sie zum Friseur muss werden noch ein paar Tage vergehen …
Paulina wird also – ich möchte nicht sagen erwachsen, weil das sind selbst Tina und ich noch nicht. Wie kann das dann also eine Dreieinhalbjährige sein? – aber mehr und mehr selbstständiger. So geht sie also auch schon alleine, ohne Mama in die Halle, wenn Turnen oder Schwimmen anstehen. Tina bringt sie hin, wartet aber mit der kleinen Luisa vor der Hallentür auf ihre große Tochter. Schon frühzeigt hatte Tina ihr erklärt, dass sie, sobald sie drei Jahre alt ist, alleine zum Turnen darf. Und wie klappt es? „Am Anfang war sie zögerlich, aber da ihre Freundin dabei ist, klappt alles. Hand in Hand gehen sie dann zusammen in die Halle“, sagt Tina.
Schwimmen und Turnen sind Hobbys, die Paulina schon seit Beginn an sehr mag. Und auch das Tanzen kommt bei ihr nicht zu kurz. „Sobald sie Musik hört, fängt sie an zu tanzen. Das macht sie schon seitdem sie klein ist, aber es wird immer mehr. Auch entdecke ich manchmal beim Autofahren im Rückspiegel, dass sie sich zur Musik bewegt – auch im Sitzen“, sagt Tina und ich kann mir genau vorstellen, wie es aussehen muss.
Und was machen große Schwestern besonders gerne? Richtig. Ihre kleinen Schwestern knuddeln, besonders dann, wenn man sie schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen hat, wie zum Beispiel nach einem Kindergartentag. So zieht Tina mit dem Kinderwagen, in dem Luisa liegt, im Schlepptau dann los in Richtung Kindergarten. Aber auch Paulinas Laufrad bringt sie mit, denn schließlich möchte Paulina dann mit diesem nach Hause radeln. Wie Tina das macht? In meiner Vorstellung tänzelt sie leichtfüßig die Straße entlang, schiebt den Kinderwagen mit einem Finger und balanciert Paulinas Laufrad auf dem Kopf … die Realität sieht da schon etwas mühseliger aus. Zurück nach Hause geht es für die Mädels dann auf Rädern und für Tina auf ihren zwei Füßen – ihre Töchter immer im Blick. „Gott sei dank können Frauen mehrere Dinge gleichzeitig“, sagt Tina mit einem Zwinkern. Pauli fährt mit Helm ausgestattet vor ihrer Mama, die die kleine Luisa hinterherschiebt. Und Paulina weiß genau, dass sie in Mamas Nähe bleiben muss, woran sie sich auch hält. „Obwohl sie Fahrradfahren kann, greift sie manchmal noch auf ihr Laufrad zurück, wofür ich innerlich sehr dankbar bin“, sagt Tina.
Ich sitze gerade am Schreibtisch, schreibe diese Zeilen und denke an die schönen Sonnenstunden und unser Videotelefonat zurück. Momentan ist der Himmel über uns ebenfalls wolkenlos. Und ich freu mich ebenso wie die kleine Paulina darüber: Denn schließlich folgt auf Regen ja bekanntlich Sonnenschein, oder?
Von Ann-Kathrin Weber
Über die Autorin:
Redakteurin Ann-Kathrin Weber hat zwar selbst noch keine Kinder, schreibt aber besonders gern über Kinderthemen. Für StadtLandKind hat sie ihre Freundin Tina durch die Schwangerschaft begleitet und besucht Paulina und ihre Eltern einmal im Monat für uns.