Nein heißt Nein. Aber in welcher Tonlage? Und wie oft gesagt?

Liebe S.,

falls dir die mediale Schlammschlacht um den Vergewaltigungs-Prozess Gina-Lisa Lohfink entgangen sein sollte, kannst Du Dich auf Twitter  #TeamGinaLisa und #neinheißtnein informieren.

Der Fall um die Vergewaltigung des Ex-Models Gina-Lisa Lohfink ist inzwischen aber auch ganz oben in der Politik angekommen. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) brachte den Fall in Zusammenhang mit der aktuellen Reform des Strafrechts. Das ist gut so. Denn eine Verschärfung des §177 StGB ist längst überfällig.

Dass die Politik sich hier endlich bewegt, verdanken wir Gina-Lisa Lohfink, die, durch die Anzeige einer Vergewaltigung, vom Opfer zur Täterin wurde. Das Verfahren wegen Vergewaltigung (trotz Videobeweise in denen die eine wie weggetretene Lohfink immer wieder „Hör auf“ sagt) stellt die Berliner Staatsanwaltschaft ein –  stattdessen: Wegen falscher Verdächtigung bekommt Gina-Lisa Lohfink vom Amtsgericht Tiergarten in Berlin im Herbst vergangenen Jahres einen Strafbefehl. Sie soll 24.000 Euro zahlen. Und die jetzt sagt: „Eines weiß ich genau. Ich würde niemals wieder in meinem Leben, auch als Geschädigte, ohne einen Strafverteidiger zur Polizei gehen.“

Warum ich das heute hier auf den Tisch bringe, bzw in die Tastatur hämmere, ist ein Spaziergang im Park. Gestern Abend mit meiner kleinen Tochter und dem Hund. Wir trafen nämlich einige muntere 14-bis 16-Jährige, die ebenfalls mit ihren Hunden unterwegs waren und sich auf erst erfrischende, später erschreckende Weise, miteinander beschäftigten.

Da wurde geschubst, geärgert, geflirtet. Locker wurde immer wieder „vergewaltige mich nicht!“ gerufen, man trat und verfolgte durch den Regen.

Ich erkundigte mich ganz nebenbei nach den besuchten Schulformen (Schublade auf), alle gehen aufs Gymnasium! (Schublade leer wieder zu) und betrachtete das Treiben etwas ratlos.

„Na, bist Du immer noch im Heim?!“, ärgerte ein hübsches blondes Mädchen einen gleichaltrigen Jungen. Dieser drehte sofort durch und warf sich auf die überraschte Hundebesitzerin und prügelte auf sie ein.

Natürlich musste ich mich jetzt einmischen. „Das geht aber so nicht“, versuchte ich auf ihn einzuwirken. „Du kannst dich doch sicher anderes wehren, zum Beispiel mit Worten, ohne Beschimpfungen und vor allem ohne Schläge.“

„Das hat keinen Sinn, dann hört sie nicht!“, war die lakonische Antwort.

Inzwischen trat der Angesprochene auf das am Boden liegendes Mädchen ein und sagte abschließend: „Am liebsten würde ich dir jetzt mit der Hundeleine eine scheuern.“

Das Mädchen rief immer wieder: „Lass das! Hör auf!“. Ich unterbrach diese Machtdemonstration mühsam und mit sehr lauter Stimme.

„Der ist immer so“, meinte das Mädchen, schnappte sich ihre Hunde und ging.

Wir gingen dann auch. Ich zumindest war sprachlos. (Meine Tochter war zum Glück mit den vielen großen Hunden beschäftigt …)

Was ich damit sagen will: es gibt viele verschiedene Arten „Nein“ zu sagen. Aber alle müssen gültig sein. Ein „Hör auf“ genauso wie ein „Nein“.  Egal, ob es geschrien oder geflüstert wird.

Aber ganz offensichtlich reicht es nicht Nein zu sagen.

Nicht abends im Park und nicht vor Gericht.

Das muss sich ändern! Das „Nein-ist-nein“ muss nicht nur ins deutsche Strafrecht, sondern auch in die Schulen. In die Klassenzimmer, auf die Pausenhöfe! Und zwar lange bevor die Kinder keine Kinder mehr sind, sondern fast schon erwachsene Teenager. Sonst wird die Gewalt zwischen den Geschlechtern bald allgemein etwas so Lakonisch-Gelangweiltes-Normales werden, dass die Grenzen endgültig verschwimmen und die Erwachsenen von morgen nach einer Vergewaltigung ganz easy nach Hause gehen und alles ins Netz stellen.

 

Deine …

 

15. Juni 2016