Puh, sie schwingt die kleine Tasche über die Schulter. Den Kassettenrekorder nimmt sie in die eine Hand. Ganz schön schwer. Ihre Puppe hält sie fest in der anderen Hand. Und den kleinen Rucksack setzt sie sich auf den Rücken. So steht Paulina vollbepackt im Schlafanzug mitten auf dem Wohnzimmerteppich.
Paulina: „Tschüüüühüüüüüß.“
Sie winkt ihren Eltern und mir kräftig zu, die wir alle drei auf der Couch sitzen. Ups, die Tasche plumpst dann doch von der Schulter. Ihre kleine Ponysammlung verteilt sich auf dem Teppich.
Tina: „Tschüß, Paulina. Wo gehst du denn hin?“
Paulina: „Meer.“
Sie sammelt die Ponys wieder ein. Ab mit der Tasche zurück auf die Schulter. Dann streicht sie sich die Haare aus dem Gesicht.
Ich: „Und was machst du da?“
Paulina: „Schwimmen.“
Klar, schwimmen. Sie weiß ganz genau, dass es für sie, Mama und Papa demnächst nochmal ans Meer geht. Sie hat ihre Taschen schon gepackt, versichert sie mir. Und ja, ich kann es ja auch schließlich sehen, was sie alles mitnehmen möchte.
Ich: „Und was ist in dem Rucksack drin?“
Tina: „Dudus!“
Ist doch klar, warum fragst du das? Das würdest du doch bestimmt auch mitnehmen, wenn du ans Meer fährst, oder? Wer kann schon ohne Schnuller – oder eben „Dudus“ – überleben? Ihr Blick sagt mehr als tausend Worte und Fragen. O.k., o.k., kommt nicht wieder vor.
Paulina winkt noch einmal kräftig und versteckt sich dann hinter der Ecke. Dann geht es mit Mama nach oben, schließlich müssen auch kleine Urlauber einmal schlafen. Und heute bringt Mama die kleine Paulina ins Bett, morgen wieder Papa. Also nutzte ich die Gelegenheit, einmal von Markus zu erfahren, welche Veränderungen ihm an seiner kleinen Tochter auffallen.
Paulina freut sich sprichwörtlich wie ein kleines Kind auf den Urlaub am Meer. So redet sie nicht nur einmal am Tag mit Mama und Papa darüber. „Und wenn sie Flugzeuge am Himmel sieht, dann ist sie total fasziniert“, sagt Markus und knautscht sich ein Sofakissen zurecht, sodass es in den Nacken passt. „Ich auch bald da oben“, sagt sie dann.
Markus: „Letztens haben wir meine Eltern an den Flughafen gebracht. Und Paulina hat über die gesamte Schalterhalle gebrüllt: „Tschüß, Oma. Tschüß, Opa.“ Dann wusste jeder Bescheid. Auf der Aussichtsplattform war sie total von den Flugzeugen fasziniert.“
Paulina: „Papa, Mond ist da!“
Paulina ruft vom oberen Stockwerk ins Wohnzimmer. Er soll möglichst schnell hochkommen, denn gestern konnte man den Mond vor lauter Wolken von Paulinas Fenster aus nicht sehen. Heute aber schon. Also hoch mit dir, Papa! „Ich komme gleich wieder“, sagt Markus zu mir und macht sich auf den Weg die Treppe nach oben.
Ich nutze den Moment alleine im Wohnzimmer inmitten von Buntstiften und kleinen Ponys und trage meine Gedanken zusammen.
Ein paar Minuten zuvor: Ich bin total fasziniert davon, wie viel Paulina auf einmal erzählt. Sie babbelt mittlerweile wie ein Wasserfall. Das merke ich schnell, als ich die Familie an diesem Abend besuche. So erzählt sie, kurz bevor sie von Mama ins Bett gebracht wird, von all den Dingen, die einen nun mal so beschäftigen, wenn man zweieinhalb Jahre alt ist. Von Buntstiften („Anki, malen!“) und von der Puppe Annabelle („Hier, halten!“) eben. Und vom Singen und Tanzen natürlich. Und dazu werde ich auch gleich verdonnert. So zieht sie ungeduldig an meiner Hand und stampft zweimal mit dem Fuß. Aber recht hat sie: Schließlich habe ich ihr versprochen, mit ihr zu tanzen, wenn sie ihr Brot aufgegessen hat. Davon sind nur noch ein paar Krümel übrig, also nichts wie rauf auf den Teppich, der – schwuppdiwupp – zur Tanzfläche wird.
Paulina: „Tanzen mit Anki.“
Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich für Paulina eher ein Spielgefährte als eine Erwachsene bin. Vielleicht bin ich für sie genauso alt wie sie. Jedenfalls komme ich um das Tanzen nicht herum. Und ehe ich mich versehe, tanzen Paulina, Tina und Markus und ich im Kreis und singen zu „Aramsamsam“, fangen irgendwelche kleinen Fische und retten sie vor dem großen Hai und schließlich lassen wir jedes Körperteil an uns verschwinden und es dann plötzlich wieder auftauchen. Für Paulina ist das wahrlich der Hit und sie kann alle Texte in- und auswendig mitsingen. Tina und Markus machen auch fleißig mit und unterhalten sich zwischen „Aramsamsam“ und den drehenden Handbewegungen zu „Gulli-gulli-gulli-gulli-gulli“ über den Tag. Meine Augen und Ohren kleben derweil an der kleinen Dame, die voll und ganz in ihrem Element ist.
Nach der ganzen Anstrengung wird es ernst.
Paulina: „Anki! Pipi!“
O.k., ich bin schon unterwegs. Sie zieht mich an der Hand und will mir zeigen, dass sie das schon alleine kann und „ein großes Mädchen“ ist, wie sie sagt, wenn sie etwas alleine machen will. „Kann ich irgendwas falsch machen?“, frage ich Tina noch schnell, während Paulina mich ins Bad zieht. Sie winkt ab. Keine Sorge also. Zum ersten Mal seit langer Zeit wird mir wieder bewusst, wie hoch so ein WC sein kann, wenn man ziemlich kurze Beine hat. Aber das ist kein Problem. Sie besteigt selbstsicher über ihren Hocker ihren Thron bis … na bis „fertig“ eben. Und danach die Hände waschen, das weiß sie auch schon.
Markus kommt zurück ins Wohnzimmer und lässt sich auf die Couch fallen.
Markus: „Weißt du eigentlich schon, dass sie jetzt in keinem Gitterbett mehr schläft, sondern in einem ganz normalen, nur halt an ihre Größe angepasst? Und das klappt ganz gut. Bis auf die erste Nacht. Da ist sie nämlich fast aus dem Bett geplumpst. Aber wir haben vorgesorgt, einen Fallschutz befestigt und eine Matratze vor das Bett gelegt. Also nichts passiert.“
Markus klickt die Fotos auf seinem Handy durch. Er scheint ein ganz bestimmtes zu suchen, findet es schließlich auch und hält es mir unter die Nase. Es zeigt Paulina vollgekleckst mit bunten Farben auf einem riesigen Karton malen.
Markus: „Ich habe einfach Fingerfarben gekauft, Kartons im Wohnzimmer ausgelegt und dann ging es los. Sie hat gemalt, als würde es keinen Morgen gäben – und ich gleich mit ihr. Danach war aber erst einmal Duschen angesagt. Wie wir aussahen …“
Er zeigt mir weitere Fotos und nur durch ein Wunder scheinen alle Wände im Wohnzimmer bei dieser Malaktion weiß geblieben zu sein – obwohl Paulina sich mit zahlreichen Hand- und Fußabdrucken auf dem Karton verewigt hat.
Ich: „Und wo habt ihr jetzt diesen echten Paulina hängen?“
Markus: „In der Garage, da ist die Wand groß genug.“
Paulina wird immer selbstständiger, erzählt Markus weiter. Sie will ihm auch oft helfen, bei der Gartenarbeit zum Beispiel, oder sie will sich alleine anschnallen, was aber noch nicht so ganz klappt. Sie wollte sogar schon mal alleine den Müll rausbringen. Was aber nicht geht, wegen der vielen Autos, erklärt ihr Papa dann.
Markus sucht wieder nach etwas in seinem Handy, wird schnell fündig und zeigt mir ein Video. Es zeigt Paulina beim Laufradfahren. In voller Montur und mit Helm auf dem Kopf – Sicherheit geht schließlich vor.
Markus: „Wir haben zusammen geübt, sind zu dritt in unserem Wohngebiet herumgelaufen und haben es ihr beigebracht. Am Anfang war sie ziemlich faul, hat die Füße auf dem Rahmen gestellt und wollte geschoben werden. Aber letztens hat sie entdeckt, dass man sich mit den Füßen vom Boden abstoßen muss und dann einfach fährt, sobald man die Füße an den Seiten ausstreckt. Jetzt flitzt sie vor uns her. Wir versuchen, jeden Abend noch eine Runde zu laufen.“
Und da sind sie nicht die Einzigen. So treffen sie viele Nachbarn beim Familienspaziergang mit ihren Kindern. Die Großen zu Fuß, die kleinen auf den Laufrädern. Ist doch klar. Man muss ja schließlich wissen, was der Nachbar so für einen Schlitten, äh Laufrad fährt …
Die kleine Familie genießt die Wochenenden und die Zeit zu dritt: Dann liegen Mama, Papa und Paulina morgens gemeinsam im Bett und schauen nicht auf die Uhr. Nicht selten kommt dann auch wieder der kleine Wirbelwind in Paulina zum Vorschein. „Dann versteckt sie sich gern hinter der Tür oder in der Dusche und sagt: „Ich nicht da!“ Heute Morgen hat sie sich zum Beispiel unter ihrem Bett versteckt und ich habe sie wirklich erst nicht gefunden – aber ich wusste, dass sie nicht weit sein kann.“
Tina kommt von ihrer Mission „Ins Bett bringen“ zurück ins Wohnzimmer, setzt sich zu uns und auch ihre Augen werden plötzlich klitzeklein.
Tina: „Ich habe sie eben vor dem Einschlafen gefragt, ob Du bald wiederkommen sollst.“
Ich: „Und was hat sie gesagt?“
Tina: „Oh ja.“
Kein Problem, kleine Paulina. Ich komme wieder. Versprochen.
Von Ann-Kathrin Weber
Zur Autorin:
Redakteurin Ann-Kathrin Weber hat zwar selbst noch keine Kinder, schreibt aber besonders gern über Kinderthemen. Für StadtLandKind hat sie ihre Freundin Tina durch die Schwangerschaft begleitet und besucht ab sofort Baby Paulina und ihre Eltern einmal im Monat für uns.