Yoga und Schule – wie passt das zusammen? „Das passt wunderbar“, sagt Sandra Walkenhorst, Diplom-Sozialpädagogin und Kinderyogalehrerin. Seit zwölf Jahren bildet sie im Bereich „Yoga mit Kindern“ aus und immer wieder zählen Pädagogen zu ihren Teilnehmern. Walkenhorst plädiert dafür, Yoga als festes Element in den (Schul-) Alltag zu integrieren, denn Yoga ist „Lernen fürs Leben. Die Kinder und Jugendlichen können unglaublich viel für sich mitnehmen.“ Und auch schon kleine achtsame Momente zwischendurch können viel bewirken.
„Manchmal herrscht die Meinung vor, dass man zum Yoga-Üben für 60 oder 90 Minuten auf die Matte muss, doch das ist nur eine Möglichkeit. Yoga ist Leben und findet im Leben, also auch im Alltag statt, da es im Yoga nicht nur um die Körperübungen geht“, sagt Sandra Walkenhorst. Beim Yoga gehe es nämlich auch um innerliche und äußerliche Haltung, um Werte, um Möglichkeiten der Stressbewältigung und auch um Resilienz-Entwicklung. „So kann Yoga ganz wunderbar in den (Schul-)Alltag integriert werden. Es braucht keine ganze Schulstunde, um den Schülern etwas mitzugeben, das geht auch hervorragend in ein paar Minuten vor Unterrichtsbeginn, vor einer Klausur oder wenn die Schüler unruhig sind“, erklärt Walkenhorst. Yoga in der Schule könne in Form einer AG oder fächerübergreifend seinen Platz finden – in jedem Fall könnten Schüler auf diesem Wege neben dem Schulstoff auch noch weiterführende Kompetenzen im Sinne des Lernens fürs Leben erlangen – „und dann fügt sich Yoga ganz selbstverständlich in den (Schul-)Alltag ein“, so Walkenhorst.
Durch verschiedene Übungen können Schüler beispielsweise lernen ihren Parasympathikus – die sogenannte Bremse im Gehirn, die uns entspannen lässt – zu aktivieren. Es gehe auch darum, den Körper zu verstehen und zu lernen, was man tun kann, um ihn beweglich und gesund zu halten, und welche Tools es gibt, um auch in herausfordernden Situationen klar und handlungsfähig zu bleiben – „das sind Dinge, die mich dann mein Leben lang unterstützen“, erklärt Walkenhorst. Für leicht umzusetzende Anregungen für den Schulalltag empfiehlt sie das Buch „Yoga in der Schule“ von Mona Bektesi.
Erste Ansätze und Fortschritte
Gibt es denn Ansätze, Yoga ganz offiziell in den Schulen zu integrieren? „Ja, die gibt es, allerdings leider noch zu selten“, sagt Walkenhorst. Jedoch habe sie schon Fortschritte bemerkt, denn mittlerweile seien viele Schulen und Institutionen durchaus sehr offen für Yoga-Angebote. Schlussendlich entscheide aber der jeweilige Lehrer und auch die Schule, wie und wo ein Yoga-Angebot stattfinden kann. „Doch mein großer Wunsch ist es, dass Yoga ganz selbstverständlich im Schul-Curriculum verankert ist, und daran arbeite ich.“ Ihr Herz gehöre der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. „Da möchte ich etwas bewegen und dazu beitragen, dass sie zu glücklichen und resilienten Erwachsenen heranwachsen“, sagt Walkenhorst.
„Yoga soll sich dem Menschen anpassen, nicht umgekehrt“
Yoga und Schule passen ebenso zusammen wie Yoga und Kinder. „Ich sage gerne, dass Kinder Yoga sind. Wir kommen mit einer perfekten Grundausstattung auf diese Welt. Kinder sind achtsam und im Moment, sie haben einen direkten Zugang zu ihren Gefühlen und Bedürfnissen und bewegen sich gerne. Eigentlich gilt es ihre wunderbaren Fähig- und Fertigkeiten zu erhalten und zu stärken und ihnen Worte hierfür zu geben“, erklärt sie.
„Yoga ist so vielseitig wie die Menschen selbst und hat auch genau das zum Ziel. Yoga soll sich dem Menschen anpassen, nicht umgekehrt.“ So kann man die Yoga-Übungen an die körperliche und geistige Entwicklung sowie an die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen anpassen, denn „es ist ein Unterschied, ob ich einen Sechsjährigen anspreche oder einen Teenager“, erklärt Walkenhorst. Im Yoga gebe es keine Barrieren. „Es geht nicht darum, auf dem Kopf zu stehen oder um lustige Verrenkungen. Das ist für mich nur ein kleiner Teil von Yoga“, erklärt die Expertin, die selbst in Teilzeit an einer Schule mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung arbeitet und Yoga mit ihren Schülern mit geistig- und körperlichen Behinderungen übt. Es gehe eher um die Sicht des Lehrers auf den Menschen, was man ihm anbieten könne und was ihm hilfreich sei. „Grenzen gibt es hauptsächlich nur in unseren Köpfen.“
Aus ihrer Erfahrung weiß sie, dass Yoga Erfolge bringe. „Die Kinder und Jugendlichen haben viele Kompetenzen erlangen können, wie beispielsweise die Fähigkeit der Selbstberuhigung in stressigen Situationen. Ebenso berichten viele davon, besser zu schlafen und viele Ideen zu haben, wie sie mit herausfordernden Situationen umgehen können. Gerade in den letzten beiden Jahren der Pandemie sind solche Kompetenzen extrem wertvoll“, sagt Walkenhorst.
Nach der Schule ist oft vor dem Freizeitstress. Daher betont Walkenhorst, dass schon kleine Übungen nicht nur im Klassenzimmer, sondern auch zu Hause ganz leicht umsetzbar sind, denn „Yoga bietet einen Pool unglaublich vieler Möglichkeiten“.
Infobox: Drei Yoga-Übungen für zwischendurch
- Tiefe Bauchatmung
Diese Übung entspannt und beruhigt. Für die tiefe Bauchatmung gilt es, sich bequem hinzusetzen oder hinzulegen. Wer möchte, kann die Hände auf den Bauch legen, um die Atmung auch über die Hände zu spüren. Nun wird versucht, entspannt und ruhig zu atmen. Man sollte den Bauch nicht extra nach vorne schieben, sondern spüren, wie sich die Bauchdecke bewegt, indem man ganz natürlich tief und ruhig atmet. Mit geschlossen Augen lässt es sich häufig besser spüren, da wir nicht so abgelenkt sind. In dieser Position kann man so lange verweilen, wie es angenehm ist. - Katze-Kuh auf dem Stuhl
Diese Übung entspannt und mobilisiert Rücken und Schultern. Dafür setzt man sich an den vorderen Rand des Stuhls. Mit dem Ausatmen lässt man den Rücken ganz rund werden, wie einen Katzenbuckel, und bringt das Kinn Richtung Brustkorb. Mit der Einatmung richtet man sich wieder auf und lässt den Rücken ganz lang werden. Man sollte darauf achten, dass man kein Hohlkreuz macht und auch den Kopf gerade lässt. Diese Übung kann man mit offenen oder geschlossen Augen machen. Die Katzenbewegung sollte dem eigenen Atemrhythmus folgen. - Konzentrationsübung „Sa Ta Na Ma“
Diese Meditation hilft dabei, sich zu fokussieren und zur Ruhe zu finden, sie kann Ängste besänftigen und den Geist beruhigen, wenn gerade Gedanken-Tohuwabohu herrscht. Bei der Silbe „Sa“ berühren sich Daumen und Zeigefinger, bei der Silbe „Ta“ berühren sich Daumen und Mittelfinger, bei der Silbe „Na“ berühren sich Daumen und Ringfinger, bei der Silbe „Ma“ berühren sich Daumen und kleiner Finger. „Sa“ bedeutet Geburt, „Ta“ steht für das Leben, „Na“ für den Tod und „Ma“ für die Wiedergeburt. Es symbolisiert also den Kreislauf des Lebens und der Erneuerung. Man kann auch ein deutsches Mantra benutzen, also beispielsweise „Ich fühle mich …“ und setzt dann ein passendes Gefühl ein, das gerade passt. Alternativ funktioniert auch der Satz „Ich bin ganz …“, auch wieder mit deinem passenden Wort ergänzt. Das Mantra kann, je nach Situation, laut oder nur im Geist gesprochen werden, ganz wie es gerade stimmig ist. (Aus: „Yoga für Jugendliche“, Sandra Walkenhorst)
Infobox: Zur Person
Sandra Walkenhorst, Jahrgang 1975, verheiratet, Mutter eines 17-jährigen Sohnes ist Diplom-Sozialpädagogin. Zudem ist sie Kinderyogalehrerin KYA, Yogalehrerin und Thai-Yogalehrerin, sowie Autorin, Begründerin von Thai-Kinderyoga und betreibt gemeinsam mit ihrem Ehemann, PsYoCo-Psychologisches Yoga-Coaching. Sie selbst praktiziert seit 25 Jahren Yoga. Im Jahr 2009 ließ sie sich an der Kinderyoga-Akademie in Heidelberg zur Kinderyogalehrerin ausbilden und ist dort nun seit 2016 neben Thomas Bannenberg als Ausbildungsleitung tätig. Mehr Informationen zu Person und Kinderyoga-Akademie gibt es unter www.ahimsa-institut.de und www.kinderyoga-akademie.de
Ihre neueste Buchveröffentlichung widmet sich dem Thema „Yoga für Jugendliche“ mit vielen praktischen Tipps (Meyer und Meyer Verlag, 2021).
Texte: Ann-Kathrin Weber
Fotos: Simon Hofmann, Stefan Gutmann