19.45 Uhr , Aldi-Süd
Aus eigener Erfahrung wissen wir nur zu gut, wie schwer es ist, einer geregelten Voll- oder Teilzeitarbeit nachzugehen und gleichzeitig kleine und größere Kinder zu betreuen oder betreuen zu lassen. Es ist teuer. Es ist oft schmerzhaft, vor allem am Anfang, wenn sie noch richtig klein sind und Eltern die körperliche Anziehungskraft spätestens gegen Mittag aufs Fahrrad oder ins Auto zwingt und gen Kita/Tagesmutter/ ect lenkt. Und wir erinnern uns noch genau an die übergroße Erleichterung, eine Einrichtung gefunden zu haben (und einen Platz bekommen zu haben!), in der sich das Kind wohlfühlte und beim Abschied nicht geweint hat, eine, in der man sich am liebsten morgens selber in die Puppenecke gelegt hätte und nur zum Vesper und zum Mittagsschlaf bewegt hätte.
Dass ein Teilzeitgehalt für die Ganztagsbetreuung zweier Kinder in unserem Bundesland fast vollständig verschlungen wird … geschenkt. Irgendwann hört das ja auch wieder auf (obwohl … die Hortgebühren sind auch ganz schön happig). Etwas neidisch schauen wir nach Berlin. Hier wurden jetzt die Kitagebühren komplett abgeschafft. Und auch vorher zahlten Familien durchschnittlich für die Betreuung nur einen Bruchteil von dem, was es bei uns kostet.
Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für unter Dreijährige existiert seit exakt fünf Jahren. Bundesweit fehlen jedoch aktuell über 300.000* Kita-Plätze. In Berlin wird zurzeit versucht, die Lage mit Quereinsteigern in den Griff zu bekommen.
Auf die Suche nach einem Kitaplatz, der zu uns passt, hatten wir uns bereits in der Schwangerschaft gemacht. Bis zur Einschulung des Sohnes hatten wir immer wieder vertröstende Mails bekommen:“Es sind nur noch 568 Eltern vor Ihnen auf der Warteliste …“
In Großstädten gibt es inzwischen Agenturen, die aus der Suche nach einem Platz Kapital schlagen. Verzweifelte Eltern hängen Zettel auf: „1000 Euro Prämie für einen sicheren Kitaplatz!“
Das ist doch kein Zustand!
Bei uns in der Gegend eröffnet aus oben beschriebenen Gründen zurzeit an jeder Ecke eine U3-Gruppe. Wo vorher eine Metzgerei war, wird jetzt getobt. In einem hübschen Laden für Secondhand-Mode ist seit der Neueröffnung als Kita für Minis auch richtig viel los. Viele dieser Einrichtungen liegen an Hauptverkehrsstraßen. Ohne Garten, ohne Hof. Oder im Gewerbegebiet. Und natürlich auch mitten im Wohnviertel, das ist super für die kurzen Wege.
Aber jetzt kommen wir zu dem, was uns in letzter Zeit immer mehr auffällt. Erstes Beispiel: Ist es wirklich nötig, mit zehn Zweijährigen um kurz vor 20 Uhr in den Discounter zu gehen? Natürlich sind die Kleinen müde, schlapp von der Hitze und haben keine Lust brav in einer Reihe zu stehen. Sie dann anzuschreien und hart am Arm zu packen ist (von außen betrachtet), ebenso unangebracht, wie Drohungen auszustoßen („Ihr seid hier nicht auf dem Ponyhof“).
„Leider nicht“, denken wir. Denn dort gehören Kinder eher hin, als zur Schlafenszeit in den Discounter.
Oder, anderes Beispiel, wir wissen, ihr wollt es nicht hören, trotzdem: fünf, noch nicht mal ein Jahr alte, Babys sind mit ihren Erzieherinnen im Supermarkt und bekommen einen Schokoriegel. Und, nein, die Riegel waren nicht für die Erzieherinnen, die Babys haben sie noch vor Ort zur Beruhigung bekommen.
Und dann ein drittes Beispiel. Eigentlich dachten wir, Erziehungsmethoden die „stiller Stuhl“ oder „stille Treppe“ seien längst endgültig vom Tisch. Offensichtlich nicht bei der neu eröffneten Kitagruppe um die Ecke. Während die Kinder im Garten spielen, müssen einige der Kleinen in einem anderen, eingezäunten Bereich, abwarten, bis sie wieder zur Gruppe dürfen. Der Grund? (Wir haben gefragt!) Sie seien rumgerannt (äh … im Garten …).
Wir wissen, das sind nur Momentaufnahmen, aber es sind zu viele.
Wäre es nicht dringend an der Zeit, in die Qualität der Einrichtungen zu vertretbaren Kosten für die Eltern zu investieren? Die Erzieherinnen so auszubilden und zu stärken, dass sie nicht die Nerven verlieren, wenn ein Kind mal durch den Garten rennt. Und vielleicht auch nicht zur Schlafenszeit mit der ganzen Truppe zum Discounter läuft und von kleinen Kindern ein Verhalten erwarten, das sie unmöglich leisten können.
Aber sollen unsere Kinder nicht gerade die ersten Jahre in einer entspannten, liebevollen Bildungseinrichtung erleben – und nicht in einer Aufbewahrungsstation mit Betreuern, die ganz nah am Limit agieren?
Alle Eltern wollen das Beste für ihr Kind und geben unglaublich viel dafür, dass es gut versorgt ist. Deshalb: wenn schon ganz kleine Kinder einen 9-Stunden-Tag außer Haus haben, dann bitte auch altersgerecht durch den Tag begleitet, liebevoll betreut und gesund ernährt.
bw // Foto: sho
*Quelle: Institut der Deutschen Wirtschaft
Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt übrigens für das Alter U3 einen Betreuungsschlüssel von drei Kindern pro Erzieher, um ausreichende Betreuungsqualität sicherstellen zu können.