Mein Leben könnte sehr schön sein. Alle gesund. Prima Job, netter Mann, zwei herrliche Kinder. Herrliche Kinder, mit denen ich unheimlich gerne herrliche Dinge unternehme. Schwimmen gehen zu Beispiel. Oder ein Stündchen in den Wald und hinterher Kuchen essen. Bücher lesen. Spielen. Spontan auf den Berg steigen, weil da oben noch ein bisschen Schnee liegt.
Mach ich aber schon lange nicht mehr, sondern ich frage: „Was musst du noch für Hausaufgaben machen?“
Ich. Hasse. Hausaufgaben.
Hausaufgaben machen unser Familienleben kaputt. Und nicht nur unseres. Sie versauen Millionen Kindern und Eltern Nachmittag für Nachmittag. Was in der Grundschule noch irgendwie tragbar war, wird in der weiterführenden Schule unerträglich. Dabei sind es nicht die Lehrer, die den Kindern unzumutbare Aufgaben mit auf den Heimweg geben. Im Gegenteil. Oft ist es nur ein bisschen hier, ein wenig dort – die Summe macht’s.
Es ist das System. Unser gesamtes Schulsystem ist darauf ausgelegt, dass Kinder zu Hause lernen müssen, weil es die Lehrer gar nicht schaffen können, in der furchtbar knappen Zeit die ihnen bleibt, all den Stoff, der in den Lehrplan reingestopft worden ist, so beizubringen, dass er wirklich hängen bleibt im Kinderkopf.
Wie soll das denn auch gehen? 30 Kindern in einer Stunde Erdkunde pro Woche, ernsthaft Wissen zu vermitteln? Und ich rede von Wissen. Von Zusammenhängen. Nicht von stumpfen Fakten, die die Kinder zweimal im Jahr auswendig lernen müssen, damit man sie in einer Klassenarbeit abfragen kann.
Natürlich gehört es zum Allgemeinwissen die Bundesländer, ihre Hauptstädte und deutsche Flüsse zu kennen. Aber fragen Sie mal den nächsten Erwachsenen zu ihrer Seite, ob der aus dem Stand alle aufzählen kann. Fragen Sie mal das Kind ein Jahr später, wie viele es noch zusammenkriegt, nachdem es sich diese Informationen eine Woche lang ins Hirn geprügelt hat, hinterher in einem Test auf Blatt geschrieben und danach nie wieder ein Wort drüber verloren wurde, weil schnell das nächste Thema durchgezogen werden muss.
Steht halt so im Lehrplan.
Und Bio halt auch. Und Geschichte und Physik und Chemie. Nicht zu vergessen zwei Fremdsprachen und Deutsch und Mathe und Informatik und Religion. Und dazwischen quetschen wir noch Sport und Kunst und Musik – ist ja auch wichtig. Aber der Tag reicht nicht aus. Für all das. Und deshalb gibt’s noch dreimal die Woche Nachmittagsunterricht dazu.
Und diese Tage wären fast schon schön, weil die Kinder nach acht Stunden Schule wenigstens keine Hausaufgaben mehr kriegen dürfen und theoretisch um halb vier Feierabend hätten. Praktisch ist das natürlich Augenwischerei, denn die restlichen zwei freien Nachmittage sind nicht genug, um all die Hausaufgaben in sämtlichen Fächern zu bewältigen. Und nebenbei ist dann immer noch für keine Arbeit gelernt, keine Vokabel im Hirn, keine Lektüre gelesen, kein Referat gemacht. Aber dafür bleiben ja die frühen Abende und das Wochenende. Danke auch.
Und ich will keine schlauen Hinweise, dass es Privatschulen gibt, an denen das alles ganz anders und viel toller ist. Und ich will auch keine schlauen Eltern, die mir erzählen, dass das bei ihren Kindern alles „gaaaaar kein Problem ist“.
Um euch geht’s nicht. Ihr seid in der Minderheit.
Ich will, dass endlich radikal all die Überflüssigkeiten gestrichen und durch echte Bildung ersetzt werden. Ich will, dass unsere Lehrer wieder die Möglichkeit haben, unseren Kindern Zusammenhänge zu erklären, Neugier zu wecken, Neigungen und Talente zu fördern. Ich will, dass Klassenarbeiten in den Nebenfächern abgeschafft werden. Ich will, dass unsere Kinder selbständig Denken und das Lernen lernen und dass diese Fertigkeiten Achtung erhalten und nicht belohnt wird, wer am besten Auswendiglernen kann.
Und es wäre so einfach. Verkürzt doch endlich die Schulferien um ein paar Wochen. Es ist doch ohnehin vollkommen idiotisch, dass unsere Kinder 14 Wochen Ferien im Jahr haben, ihre arbeitenden Eltern aber maximal sechs. Und – falls es euch noch nicht aufgefallen ist – die meisten Eltern arbeiten. Die sitzen nicht mehr zu Hause, putzen, kochen und warten, dass die Kinderlein aus der Schule kommen. Die meisten Eltern zerreißen sich zwischen Job, Haushalt und Schulkind und organisieren sich jahrelang halbtot, damit die Kinder in den Ferien nicht wochenlang alleine sind. Und wenn diese Eltern dann endlich ihr eigenes Tagesprogramm geschafft haben, dann helfen sie ihren Kindern durch die Schullaufbahn. Oft genug mit Frust und Tränen, weil das Kind wieder nicht so funktioniert, wie‘s gerade soll. Und weil die Eltern nach Job und Haushalt auch nicht immer das Nervenkostüm haben, dem Kind noch zwei Kapitel Mathe mit Engelsgeduld zu erklären, unregelmäßige Verben zu üben oder den Aufbau des Bienenstaats abzufragen (wir schreiben morgen einen Test.)
Und wenn vier Wochen Schule mehr im Jahr nicht ausreichen, dann sorgt dafür, dass unsere Kinder ein vernünftiges Mittagessen bekommen und gebt ihnen von mir aus täglich Nachmittagsunterricht bis halb vier. Andere Länder schaffen das – verdammt noch Mal – auch.
Aber:
Streicht endlich diese dämlichen Hausaufgaben. Entrümpelt die Bildungspläne, nutzt die gewonnene Zeit, um Schule zu dem zu machen, was sie sein soll:
Ein Ort, an dem Kinder jene Bildung erfahren, die sie brauchen, um ihre Neigungen und Talente zu entdecken, die sie benötigen, um ihre Zukunft zu gestalten.
Und gebt uns Eltern die Nachmittage und Abende mit unseren Kindern zurück. Denn wir geben unseren Kindern auch sehr viel. Auch wenn wir nur mit ihnen auf den Berg steigen, weil da oben noch Schnee liegt. Wir machen sie glücklich. Und uns auch.
Liebe Sarah
Du schreibst mir aus der Seele!
Bei uns in der Schweiz gibt es ab der 4. Klasse nur einen „freien“ Nachmittag/Woche, die Schule geht meistens bis halb fünf und es gibt auch keine Regel dass an Tagen mit Schule am Nachmittag keine Hausaufgaben gegeben werden dürfen.
Ah ja, dafür kommen die Kinder um 12 fürs Mittagessen nach Hause! Muss ich also auch noch organisieren wenn ich berufstätig bin!
(Der Schulweg beträgt 2x 20 Min., sie haben dann grad mal eine Stunde zu Hause!
Wir haben das Glück 2 Mädchen zu haben die sich im System einigermassen zurechtfinden.
Aber auch sie (und wir mit) leiden sehr!
Eine Privatschule können wir uns leider auch nicht leisten.
Ah, und in der Schweiz gibt es nur 4 Wochen bezahlten Urlaub/Jahr.
Liebe Regina,
das klingt allerdings noch schlimmer.
Wie schafft man das, wenn man berufstätig ist?
Lioebe Grüße,
Sarah