Es geht doch nichts über einen gemütlichen Arbeitstag daheim…
Liebe B.,
heute ist mein Eibrötchentag. So nennt den unser Chef. Er glaubt, dass ich jeden Mittwochvormittag, wenn ich NICHT in der Redaktion arbeite, Eibrötchen esse und mir die Nägel mache. Er glaubt aber auch, dass ich in Wahrheit ein vielarmiges, außerirdisches Monster aus Independence Day bin. Dazu äußere ich mich jetzt nicht.
In Wahrheit mache ich mittwochs Home Office – also heute – und was das mit Eibrötchen zu tun hat, habe ich vergessen. Egal. Home Office ist jedenfalls eine großartige Erfindung, die es uns Frauen ermöglicht:
1. zu arbeiten
2. den Haushalt in den Griff zu kriegen.
Und dafür erwarten die Männer nur eins: Ein bisschen Dankbarkeit für so viel geschenkte Zeit. Recht habt ihr.
So ist das nämlich heute, mit dem Eibrötchentag:
6:30 Uhr: Direkt aufgestanden, nicht noch dreimal den Wecker ausgedrückt. Man möchte ja von der vielen Zeit was haben. Kein Duschen, Make up, Haare machen und vernünftig anziehen, lieber die Zeit genutzt und schnell die Betten abgezogen und Bezüge in die Waschmaschine gestopft, Spülmaschine eingeräumt, Kinder versorgt, Pausenbrote für Ferienbetreuung geschmiert, Küche aufgeräumt, Rücksäcke gepackt, Jacke gesucht und klatschnass auf Spielplatz vorm Haus gefunden. Brüllendes Kind von Alternativjacke überzeugt, dabei leider selber auch gebrüllt, aber nicht so arg laut.
7:50 Uhr: Kinder zur Haustür rausgeschoben. Glaube, sie sind froh, dass sie endlich gehen dürfen. Zeit, während Computer hochfährt, perfekt genutzt: Schnell mit großer Mülltüte einmal durchs Kinderzimmer gepirscht (merken die nie…).
8:03 Uhr: Mülltüte voll, alle Computerprogramme offen – los geht’s.
8:45 Uhr: Bin völlig begeistert von mir, dass ich jetzt schon so viel erledigt habe. Zeitersparnis im Vergleich zur Arbeit in der Redaktion inklusive Anfahrt bis jetzt: Über eine Stunde.
Beschließe, Zeitersparnis zu nutzen und genau eine Stunde joggen zu gehen. Brauche leider zehn Minuten, um meine Laufklamotten in der Dreckwäsche zu finden, unter nassem Handtuch. Ignoriere Feuchtigkeit und beschließe kürzere Laufrunde zu nehmen. Überlege, mein Handy mitzunehmen. Verwerfe Gedanken zugunsten Quality-Time.
10:00 Uhr: Ha! Von wegen Quality-Time. Brauche für 50-Minuten-Laufrunde 60 Minuten. Liegt entweder an geologischen Verschiebungen, weshalb die Berge jetzt steiler sind, oder an meinem leeren Magen. Außerdem grüble ich die ganze Zeit beim Laufen, wie ehrlich ich beim Schreiben dieses Blogbeitrags sein soll (Stichwort: drohende Kündigung) und was ich sonst noch alles erledigen muss (von wegen Abschalten beim Laufen…haha…).
Beschließe jedenfalls gnadenlose Ehrlichkeit in Sachen Home-Office-Blog, will nur schmutzige Details wie Hundehaufen in Laufschuhsohle weglassen. Nehme nach Laufrunde Umweg über Bäcker, brauche schließlich Eibrötchen für witziges Foto oben. Die wartenden Menschen beim Bäcker rücken von mir ab.
Merke: Gebrauchte Sportsachen immer gleich waschen und nicht unter nassem Handtuch in Schmutzwäsche lagern. Nach gefühlten 30 Minuten bin ich dran.
Eibrötchen ist aus.
????
Vermute, Bäckereifachverkäuferin will mich nur ärgern. Hat bestimmt 20 Eibrötchen hinten versteckt. Ich hasse sie und kaufe Schinkenbrötchen.
Während ich das hier schreibe, kocht Ei in der Küche. Mist, 20 E-Mails in Abwesenheit.
Eine von Dir, liebe B. Ich zitiere: „Na? Alles aufgeräumt?“
„Grumpf“.
10:30 Uhr: Überlege kurz, ob ich duschen soll, lese und lösche aber lieber E-Mails und arbeite weiter. Zwischendurch: Ei hart gekocht, Schinken vom Brötchen gegessen und stattdessen Ei draufgelegt. Warum sind eigentlich immer nur diese bunten Kinderplastikteller sauber im Schrank? Egal, wirkt eh viel authentischer (siehe Foto). Der Nagellack auf dem Bild ergibt natürlich überhaupt keinen Sinn, werde niemals die Zeit haben, mir die Nägel zu lackieren, aber ich glaube, der Chef erwartet das so.
10:40 Uhr: Freue mich gerade darüber, dass ohne Telefonklingeln und Kollegenschwätzchen alles so viel schneller von der Hand geht, esse nebenbei Eibrötchen (endlich Frühstück), gut, dass die Krümel auf der Laptoptastatur kein Problem sind.
10:41 Uhr: Telefon klingelt (logisch, hab den Mund voll.)
Der Gatte flötet: „Sag mal, Du bist doch heute eh zu Hause, könntest Du noch mein Fahrrad aus der Reparatur holen und dann eben noch zum Weinladen und ein Fläschchen von dem leckeren Roten? Und Brot ist auch alle!“
Ich: „Äh, ich arbeite.“
Er (verschnupft): „Ach so, ja klar…“ (bedeutungsschwangererer Unterton klingt nach.)
11:00 Uhr: Schlechtes Gewissen gegenüber viel härter arbeitendem Mann hat gesiegt, Fahrradladen ist ja wirklich um die Ecke. Kann leider die Laufschuhe nicht anziehen wegen Hundescheiße, aber da wollte ich ja nicht drüber reden. Nehme Ballerinas und werfe eine Strickjacke über, in der Hoffnung, dass man dann die Laufklamotten nicht sieht. Nachbar guckt mich komisch an. Egal. Sprinte mit wehender Strickjacke zum Fahrradladen. Laden hat mittwochs zu.
11:15 Uhr: Grüble kurz darüber nach, warum ich so viele E-Mails bekomme, die auf Osteoporose hinweisen. Verwerfe den Gedanken und arbeite weiter.
11:20 Uhr: Telefon klingt, meine Mutter ruft an und will wissen, was sich Kind zum Geburtstag wünscht:“Ich dachte, Du bist ja heute zu Hause, da können wir in Ruhe telefonieren!“
???
Jetzt ist Mutter ebenfalls verschnupft.
11:40 Uhr: Mist, ich muss die Bettwäsche aufhängen. Warum ist da eigentlich so viel Sand auf dem Badezimmerfußboden? Unkontrollierbare Synapsen in meinem Hirn verknüpfen Sand auf Badezimmerfußboden mit Beachparty, synapsen weiter (sagt man das so?) auf bevorstehenden und bislang völlig ungeplanten Kindergeburtstag. Kreatives Hirnareal verfolgt den Gedanken kurz, dann siegt zum Glück Vernunft und meldet: „Hol den Staubsauger!“ an Hände und Füße.
11:45 Uhr: Eibrötchenfoto an Chef gemailt, um ihn schon mal vorsichtig auf Home-Office-Blog vorzubereitet.
Antwort: „Jetzt gehst Du schon nicht aus dem Haus und dann sooo viel Lippenstift?“
Mist, hab den Lippenstift auf dem Kaffeebecher übersehen. Sieht echt blöd aus, hilft aber nix, hab das Eibrötchen schon gegessen.
11:50 Uhr: Puh…sollte echt mal duschen.
11:51 Uhr: Stiefsohn sucht Tapeziertisch über Facebook, muss kurz antworten.
11:52 Uhr: Oh, Bettwäsche aufhängen über Staubsaugen und Facebook vergessen. (Da ist irgendwie immernoch Sand im Bad…)
12:00 Uhr: OH GOTT SCHON ZWÖLF UHR!!!!!
12:05 Uhr: Panik hat Hirn gelähmt, musste erst Kaffee kochen. Jetzt geht es weiter (undichhabnochnichtmalgeduscht…)
12:30 Uhr: Huch! Was koche ich eigentlich heute für die Kinder? Laufe schnell zum Metzger und kaufe Würtschen (Mist, trage immernoch Sportklamotten).
12:40 Uhr: Computer hat sich in Abwesenheit aufgehängt, fühlt sich vermutlich von mir vernachlässigt.
12:45 Uhr: Läuft alles wieder, Zeit vom PC-Hochfahren mit schlechtem Gewissen verbracht, weil ich nicht mal an Tagen, an denen ich Homeoffice mache, für die Kinder gesundes Essen koche. Nehme mir fest vor, künftig regelmäßig gesunde Gemüsesuppen zu kochen und die portionsweise einzufrieren.
12:55 Uhr: Ertappe mich beim Googlen von Gesunde-Gemüsesuppe-Rezepten.
13:00 Uhr: Reiße mich gerade zusammen und arbeite zügig weiter, als das Telefon klingelt. Dame am anderen Ende möchte Umfrage über Mietpreiserhöhung mit mir machen. Ich antworte, dass mein Mann unsere Miete bezahlt und mich solche Dinge nicht interessieren, weil wir unglaublich reich sind und ich mir gerade die Nägel machen. Finde mich total lustig und schlagfertig dabei. Die Frau am Telefon findet das nicht.
13:15 Uhr: Habe es endlich geschafft, neben der anderen Arbeit, diesen Blogbeitrag Korrektur zu lesen, vermutlich aber mindestens 20 Rechtschreibfehler übersehen.
13:37 Uhr: Kinder kommen nach Hause.
Ich: Hallo, Ihr Lieben, na??? Hattet Ihr einen schönen Tag?
Sohn (rümpft die Nase): „Mama, Du stinkst!“
Ich: „Ja, ja, ich geh gleich duschen.“
Tochter: „Das hättest Du aber echt heute Morgen machen können, Du warst doch den ganzen Tag zu Hause!“