Ich hatte mal eine, so vor drei Jahren. Vor zweieinhalb Jahren um Weihnachten herum ist sie mir leider abhandengekommen. Erst ein Kilo, dann zwei und irgendwie mehr Couch als Sport und dann war plötzlich alles egal.
Gib mir Plätzchen, Baby!
Und jetzt ist Juni und ich hab wieder keine Bikinifigur. Und auch keine Sommerkleidfigur und keine Shortsfigur. Ich habe eine Schlabberwollpullifigur, was im Februar kein Thema ist, im Mai aber blöd. Und ich würde gern behaupten, dass diverse Schwangerschaften die „Schuld“ an allem tragen. Stimmt aber nicht. Nie war ich schlanker, als mit zwei Kleinkindern.
Jetzt müssten jedenfalls fünf Kilo runter. Also sofort. Theoretisch hab ich die natürlich seit zwei Jahren längst abgenommen. Ich hab nämlich alles. Ich hab Schrittzählapps und Kalorienzählapps und Sportapps.
Ha! Hab ich Sportapps.
Ich kann euch mit geschlossenen Augen vorsagen, wie viele Kalorien in 100 Gramm Frucht-Skyr-Quinoa-Frühstück stecken. Ich ernähre mich total gesund und ausgewogen. Also fast immer. Also meistens. Also zumindest montags und dienstags. Da geh ich auch immer joggen. Also montags. Dienstags hab ich dann leider Muskelkater.
Mittwochs kippt die Motivation oft ein klitzekleines Bisschen. Joggen geht leider nicht, weil die Klamotten noch in der Wäsche sind. Zum Ausgleich google ich Blogs in denen Leute schreiben, wie sie erfolgreich abgenommen haben. Manchmal wirkt das. Manchmal esse ich parallel dazu Nusschokolade und weiß schon, während ich sie mir in den Mund stecke, dass das total bescheuert ist.
Der Donnerstag ist leider ganz schwierig. Weil da gucke ich, ob ich eventuell doch schon 100 Gramm abgenommen habe, habe ich aber meistens nicht, weil man vom Abnehm-Blogs-Lesen leider nicht abnimmt.
Über Freitag und Samstag möchte ich nicht sprechen. MAN MUSS SICH JA AUCH MAL WAS GÖNNEN!!? (Steht in JEDEM Diätratgeber!)
Meine Freundinnen sagen, ich sehe toll aus.
Ich fühl mich aber nicht toll. Ich fühl mich beschissen, weil alle meine Klamotten zu eng sind.
Eigentlich fühle ich mich aber beschissen, weil ich so nullkommanull Disziplin habe.
Früh schlafen gehen?
Schaffe ich maximal zwei Tage am Stück.
Immer alles sofort aufräumen?
Joa, läuft bei mir etwa zwei Stunden.
Jobkram gleich erledigen und nicht aufschieben … hüstel.
Und genau so läufts eben auch mit dem Sport und dem Abnehmen. Gar nicht. Und deshalb geht’s eigentlich nicht um diese f**k Bikinifigur. Oder um die Klamotten, die ein bisschen knapp sitzen. Es geht darum, dass ich nichts durchhalten kann und gleichzeitig von allen Seiten mit Infos beballert werde, wie irgendwelche tollen Leute, tolle Sachen durchhalten. 30 Kilo abnehmen, kein Fleisch mehr essen, nur noch nützliche Dinge kaufen und nie Plastik, für einen Marathon trainieren und den auch laufen, ein Buch schreiben, Kinderklamotten nähen und erfolgreich verkaufen, jeden Tag Gymnastik machen und nebenbei noch einen Mütter-Blog schreiben.
Und das zieht runter. Aber so richtig.
Und deshalb wünsche ich mir dringend mehr Geschichten übers Scheitern.
Ich will mehr Menschen ohne Superbody auf Instagram. Ich wünsch mir Fitnessblogger die nicht sensationell aussehen und auch mal zugeben, dass sie nicht immer motiviert sind. Ich will weniger stylische schöner-hipper-wohnen Fotos mit selbstgebauten Paletten-Möbeln und mehr ja-ich-müsste-dringend-aufräumen-und-hab-nicht-so-das-Händchen-für-Inneneinrichtung-Fotos. Ich will weniger perfekte Kinderzimmer und mehr Höllenchaos. Ich will weniger perfektes Make-Up und weniger Glamour-Filter.
Ich will mehr echtes Leben.
Und ich bin mir verdammt sicher, dass nicht nur ich dann viel besser damit klar käme, wieder fünf Kilo an der Bikinifigur vorbeigelebt zu haben.
Anmerkung der Redaktion:
Auf der Suche nach einem passenden Foto für diesen Text haben wir in der Bilddatenbank, die wir nutzen mehrere Hundert Fotos von Frauen im Bikini gefunden. Nicht eine von ihnen hatte auch nur den Hauch eines winzigen Speckröllchens. Alle, wirklich alle waren makellos perfekt. Und genau das ist das Problem.
Ich hätte euch ein Foto geben können! Super geschrieben! Danke