StadtLandKind. | Ausgabe 4/2024

5 Unsere Welt ist bunt Sie haben jetzt verschiedene Richtungen skizziert. Aber was brauchen die Kinder tatsächlich? Wenn die Kinder sehr klein sind, ist es wichtig, dass sie im Kinderzimmer eine warme Atmosphäre haben. Sie kommen aus dem Mutterleib, wo die kalten Töne herausgefiltert sind, das Licht dennoch sanft hindurchfällt. Da hat man es eher wohlig warm. Ein warmes Violett ist da toll, ebenso ein dunkles Braun-Orange. Viele Eltern hängen intuitiv Stoffe mit diesen Farben an die Wiege oder vors Fenster. Wenn man seinem Kind in der ersten Lebensphase, bevor es zu laufen anfängt, etwas Gutes tun will, macht man es nicht zu hell, nicht zu grell. Diese Farben und das sanfte, warme Licht signalisieren Geborgenheit und Schutz. Wie geht es weiter? Mit welchen Farben begleiten Eltern ihre Kinder in den nächsten Jahren? Da gibt es zwei Hauptströmungen: Einmal die Eltern, die klassisch zwischen Mädchen und Jungen unterscheiden, und die Eltern, die ihr Kind nicht schon von Beginn an auf Geschlechterrollen festlegen möchten. Wie gehen die klassischen Eltern vor? Da gibt es eine Geschlechtertrennung auch in den Farben. Bei Mädchen sind eher klassisch warme Farben im Spiel wie rosa, gelb, orange oder auch abgetönte Weißtöne. Bei Jungs läuft es auf Khaki-Farben oder hellblau hinaus, es kann aber auch mal ein kräftiges Rot sein. Diese Trennung zeigt sich nicht nur in den Farben des Kinderzimmers, sie setzt sich auch fort imKinderwagen, Spielzeug und anderen Dingen. Zu welchen Farben greifen die anderen Eltern? Sie gehen in den mittleren Bereich, wählen Farben aus, die nicht auf den ersten Blick einem Geschlecht zugeordnet sind, also eher zarte Töne für einen sensiblen Jungen und etwas Kräftigeres für ein Mädchen, das vielleicht frecher und selbstbewusster erscheint und auch werden darf. Eher blass scheint Mode zu sein, geben zumindest Kinderzimmer in einigen Social-Media-Kanälen vor. Was fehlt Kindern, die in einem farbarmen Zuhause groß werden? Sie sprechen einen interessanten Punkt an, denn in der frühkindlichen Phase braucht ein Mensch schon Reize. Wenn (Jahrgang 1967) stammt aus Weimar. Nach einer Ausbildung zum Steinmetz studierte er Architektur in Berlin und London. An der Universität Stuttgart promovierte er im Grenzbereich von Wahrnehmungspsychologie und Architekturtheorie. Für die Professur „Farbe Licht Raum“ ging er an die Kunsthochschule Halle und begleitet seit 2012 die Professur für „Didaktik der visuellen Kommunikation“ im Fachbereich Design und Kunst an der Bergischen Universität Wuppertal. Neben zahlreicher Fachliteratur hat Buether ein Werk verfasst, das es bis in die Spiegel-Bestseller-Liste schaffte: „Die geheimnisvolle Macht der Farben“. Hier beschreibt Buether Farben als größtes Kommunikationssystem der Erde. Für den Autor ist es unmöglich Farben wertneutral, emotionsfrei oder inhaltsleer zu sehen – jede Farbe wirkt. „Die geheimnisvolle Macht der Farben“ von Dr. Axel Buether, Droemer, 320 Seiten, ISBN 978-3-426-27787-4, 25 Euro. Axel Buether wir keine unterschiedlichen Reize haben, entwickelt sich unser Wahrnehmungssystem nicht gut. Das gilt für den Geschmack, denn nach der Muttermilch ist es wichtig, dass Kinder verschiedene Geschmäcke kennenlernen, schließlich ist es gut, wenn sie nicht immer nur das Gleiche essen möchten. Das gilt auch für andere Wahrnehmungen wie das Tasten. Es ist gut, wenn ein Kind möglichst viele Dinge mit unterschiedlichen Formen und Oberflächen zumAnfassen bekommt, um seine Tast- wahrnehmung zu entwickeln. Und genau so ist das bei den Farben. Aber das muss nicht alles an den Wänden des Kinderzimmers stattfinden, schließlich sollen sie auch zur Ruhe kommen und schlafen können. Was könnte passieren, wenn ein Kinderzimmer zu bunt ist? Dann könnte es auf Hyperaktivität beim Kind hinauslaufen und es könnte schwierig sein, das Kind zur Ruhe und zum Schlafen zu bringen. Daher schlage ich vor, eher etwas ruhigere, gedecktere Farben zu wählen und lieber bei Materialien wie Spielzeug oder anderem in Sachen Farben zuzuschlagen. Das hat den Vorteil, dass man sie einfach beiseite räumen kann. Also mit bunten Elementen Abwechslung in Kinderzimmer bringen. Genau, das ist nicht nur wichtig, sondern auch notwendig für Kinder. Wenn sie mit einer großen Palette an Farben zu tun haben, seien es auch nur die Stifte zumMalen, ist das wahnsinnig wichtig für die frühe kindliche Entwicklung. Gehen wir mal weg von den Wünschen der Eltern. Was sagt die Wissenschaft, wie Farben auf Kinder wirken? Allen Studien gemein ist, dass sie Geschlechterstereotypen manifestieren: Für Mädchen stehen da Attribute wie zart, hübsch und feinfühlig, währenddessen Jungs eher als etwas cooler, beherrschter und kräftiger daherkommen. Solche Stereotypen stecken in der Farbwelt der Kinder. Eltern, die genau das nicht möchten, sollten das auch nicht etablieren und eher geschlechtsneutrale Farben im Kinderzimmer verwenden, bevor die Kinder ihre eigenen Farben verlangen. Wenn Kinder in die Kita oder in die Schule gehen, beginnen sie, sich mit ihren Peergroups zu identifizieren. Als Eltern hat man dann verloren. Aber das ist gut so, schließlich sollen die Kinder selbstständig werden. Die erste Ablösetendenz lässt sich gut über die Farbwahl erkennen, denn die richtet sich irgendwann nicht mehr nach den Eltern, sondern nach der Freundin, dem Freund oder der Gruppe. //kakü *Anm. d. Red.: Greige ist eine Mischung aus den Farbnuancen Grau und Beige.

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