11 DERWORTSCHATZ IM LOCKDOWN © Adobe Stock Die Kunst zu sprechen Die Covid-Pandemie war für Kinder weltweit eine Zäsur. Geschlossene Kitas und Schulen zeigten ebenso ihre Folgen wie die Tatsache, dass eine große Zahl von Kindern mehr Zeit vor elektronischen Medien verbrachte. Forscherinnen und Forscher aus 13 Ländern untersuchten die Auswirkungen des ersten Covid-Lockdowns auf die Sprachentwicklung bei 2200 Säuglingen und Kleinkindern im Alter zwischen acht und 36 Monaten. Fazit: Kinder, denen häufiger vorgelesen wurde, lernten nach Angaben der Betreuungspersonen mehr Wörter als Gleichaltrige, denen weniger häufig vorgelesen wurde. Die Studie ließ auch einen Schluss zu auf den Umgang mit elektronischen Medien: Kinder, die vermehrt mit Bildschirmen in Berührung kamen, lernten weniger Wörter als ihre Altersgenossen mit weniger Bildschirmzeit. Darüber hinaus zeigt eine zweite Studie zur Bildschirmzeit, dass Kinder während des Lockdowns mehr Zeit vor dem Bildschirm verbrachten als zuvor. Je länger der Lockdown dauerte, desto länger war die gewährte Bildschirmzeit. Sie war zudem deutlich länger in Familien mit geringerer Schulbildung sowie in Familien, in denen die Eltern angaben, den Bildschirm selbst länger zu nutzen. Die Studie zur Spr achentwi cklung zeigt jedoch auch, dass die Kinder während des Lockdowns insgesamt mehr Wörter lernten als erwartet. „Dass sich Eltern-Kind-Aktivitäten auf den Wortschatzzuwachs des Kindes auswirken, ist ein wichtiges Ergebnis, wenn man bedenkt, dass wir in unserer Studie die Veränderungen im Wortschatz der Kinder über einen durchschnittlichen Zeitraum von etwas mehr als einem Monat bewertet haben“, kommentierte Professor Dr. JulienMayor von der Universität Oslo die Auswertung. Seine Universitäts-Kollegin Professorin Dr. Natalia Kartushina schloss daraus, dass „eine relativ kurze Isolation keine nachteiligen Auswirkungen auf die Sprache von Kleinkindern hatte, aber angesichts der außergewöhnlichen Umstände, denen die Kinder und ihre Eltern während dieser Zeit ausgesetzt waren, sollten wir vorsichtig sein mit der Annahme, dass dies auch für normale Zeiten oder für längere Schließungen gilt.“ Eine durchaus angebrachte Mahnung, wie die weiteren Einschränkungen im Zuge der Pandemie zeigten. Das Mehr an Zeit vor Bildschirmen führen die Wissenschaftler der Studie zu diesem Thema auf die Corona-Einschränkungen zurück. In vielen Ländern waren Kitas, Sporteinrichtungen und Spielgruppen für Kinder geschlossen. „Viele Betreuungspersonen befanden sich in der neuartigen Situation, ihre Kleinkinder den ganzen Tag über zu Hause zu betreuen und zu unterhalten, ohne auf andere Aktivitäten zurückgreifen zu können – und dies zusätzlich zu ihren anderen Verpflichtungen“, beschreibt Professorin Dr. Nivedita Mani von der Universität Göttingen die Situation der Familien. „Ihr Kind länger vor dem Bildschirm zu lassen, ist eine verständliche Lösung für diese noch nie dagewesene Situation, in der die Betreuungspersonen mit mehreren Aufgaben jonglieren mussten – Meetings bei der Arbeit oder Hausarbeiten, die Konzentration erfordern, zusammen mit einem kleinen Kind, das unterhalten werden muss. Das kennen viele von uns“, sagt Mani in einem Beitrag auf der Website ihrer Universität. Für das Team ist es deshalb nachvollziehbar, dass auch kleine Kinder, die keine Online-Schulpflicht oder Anwesenheitspflicht hatten, während des Lockdowns mehr Zeit am Bildschirm verbrachten. Nichtsdestotrotz finden die Autoren es beruhigend, dass die Kinder trotz der erhöhten Bildschirmzeit mehr Wörter lernten als vor der Pandemie. Dies ist möglicherweise auf andere Aktivitäten zurückzuführen, die Eltern mit ihren Kindern während des Lockdowns unternahmen. //kakü www.uni-goettingen.de
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