Familienleben 4 DIE BALANCE ZWISCHEN ELTERN UND KINDERN FINDEN Reisen bildet – sagt man. Welche Voraussetzungen dafür in der Familie geschaffen werden müssen und warum das Reiseziel in vielen Fällen Nebensache ist, erklärt Dr. Inés Brock-Harder. Unser Autor Klaus Kühlewind hat mit der vierfachen Mutter gesprochen. Reisen macht Kinder schlau! Diese Aussage ist immer wieder zu hören und zu lesen. Wie sehen Sie das? Dr. Inés Brock-Harder: Die Aussage darf nicht verallgemeinert werden. Die Wirkung von Reisen auf Kinder ist natürlich altersabhängig, denn das Gehirn eines Kindes hat in seinen Entwicklungsschritten unterschiedliche Fokusse. Um es genauer zu beleuchten, müssten wir die verschiedenen Altersfenster anschauen. Und wie sieht es aus in diesen verschiedenen Fenstern? Wenn die Kinder ganz klein sind, ist die Nähe der Bezugspersonen immens wichtig. In den ersten anderthalb Jahren. ist der Ort, an dem ein Kind sich befindet, nicht sonderlich relevant. Allerdings können größere Veränderungen wie ein Wechsel der Klimazonen zu einer Überforderung führen. Ich denke, dass Reisen in diesem Alter, keine Vorteile für die Kinder bringen. Aber ein Vorteil könnte sein, dass die Eltern mehr Zeit für das Kind haben? Gewiss, doch diesen Vorteil kann man überall auf der Welt haben und muss dafür nicht nach Thailand und sonst wohin reisen. Der Tempel dort ist für sie kein großes Ereignis, sondern eine fürchterliche Anstrengung. Und wie ist es um die nächste Alterskategorie bestellt? Für Kinder von etwa eineinhalb, zwei Jahren bis zum Vorschulalter gilt, dass sie die Welt erkunden möchten. Diese Welt ist für Kinder der soziale Nahraum. In der Kita ist das der Kletterwald, im tatsächlichen Wald sind das die Käfer auf dem Boden oder der Tannenzapfen. Grundsätzlich gilt, dass mit zunehmendem Alter der Erkenntnisraum der Kinder ansteigt und sie ihr Umfeld erforschen möchten. Und da ist der Ostseestrand mit seinen Herausforderungen genauso spannend wie der Mittelmeerstrand oder auch der Baggersee. Für das Kind macht das keinen Unterschied. Da müsste man sich eher auf die Belastungen der Reise fokussieren. Denn lange Autofahrten beispielsweise sind für die Kinder mit ihrem Bewegungsdrang in der Tat sehr belastend. Im Zug, wo Kinder auch mal herumlaufen können, ist eine Reise für sie weniger anstrengend. DR. PHIL. INÉS BROCK-HARDER ist Vorsitzende des Bundesverbandes für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (bkj). Die Erziehungswissenschaftlerin und Psychotherapeutin ist als Hochschullehrerin für Klinische Psychologie (MA) und empirische Familienforschung tätig.
RkJQdWJsaXNoZXIy NDY3NDc=