Liebe Familienministerin Manuela Schwesig,
Sie möchten also gern das Mutterschutzgesetz lockern. Es sei unmodern, sagen Sie. Mit Verlaub, aber das ist mit Abstand der größte Unfug, der am gestrigen Muttertag über meine Facebook-Timeline gewandert ist. Und glauben Sie mir, da war sehr viel Unfug dabei.
Schwangere dürfen montags bis freitags nur bis 20 Uhr arbeiten. Am Wochenende dürfen sie es gar nicht. Eigentlich bleibt trotzdem noch ganz schön viel Arbeitszeit übrig. Aber Ihnen ist das nicht genug. Ganz auf freiwilliger Basis sollen werdende Mütter künftig noch länger und flexibler ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen dürfen.
Ich halte fest: Weil es da also eine Hand voll Mütter gibt, die gern im 7. Monat noch eine Nachtschicht schieben möchten, versauen Sie jetzt allen anderen ihre Schwangerschaft.
Ihr Argument: das Mutterschutzgesetz sei von 1952 und damit überholt.
Wie bitte?
Ich wüsste nicht, dass sich in Sachen Schwangerschaft in den vergangenen Jahren besonders viel verändert hat. Schwanger ist schwanger. Schwanger bedeutet für viele Frauen: Übelkeit, Schlaflosigkeit, Wasser in den Beinen, Rückenschmerzen, ständiger Druck auf der Blase. Nun machen die meisten Frauen darum nicht besonders viel Gewese. Warum auch? Es bringt uns nicht um, wenn wir uns morgens vor der Arbeit dreimal übergeben. Mund abwischen, Krone richten, weiter gehts.
Aber eine Vielzahl von Frauen ist sicherlich heilfroh, dass sie in den wenigen Monaten, in denen sie ein Kind austrägt, am Wochenende die dicken Beine hochlegen darf. Und ich rede hier nicht von Juristinnen oder Wissenschaftlerinnen. Ich rede von Supermarktkassiererinnen, die dann künftig bis 24 Uhr an der Kasse sitzen dürften. Ich rede von Krankeschwestern und Altenpflegerinnen. Jenen Frauen, die in unfassbar schlecht bezahlten Berufen arbeiten, die so anstrengend sind, dass sie einen schon im nichtschwangeren Zustand an die Grenze der Belastbarkeit bringen.
Das wird nicht passieren, werden Sie nun argumentieren, Frau Schwesig. Das sei doch alles ganz freiwillig.
Mit Verlaub, Frau Ministerin. Das ist blanker Hohn.
Mütter sind die Verlierer auf unserem Arbeitsmarkt. Mütter werden restlos ausgebeutet.
Finanzielle Ansprüche stellen sie schon mal gar keine, Hauptsache wieder einen Fuß in der Tür zur Arbeitswelt, sobald die Nabelschnur zum Baby durchschnitten ist. Und wenn der Arbeitgeber es wünscht, ja dann wird auch schon mal früher abgestillt. Dankbarkeit ist schließlich angesagt, wenn auch noch eine – natürlich schlechter bezahlte – Teilzeitstelle möglich gemacht wird. Und was heißt eigentlich Teilzeit? Teilzeit ist die größte Lüge unserer angeblich gleichberechtigten Gesellschaft.
Teilzeit ist nichts anderes als schlecht bezahlte Vollzeit. Weil die Arbeit, die andere an einem ganzen Tag leisten, in Teilzeit einfach schneller erledigt wird. Warum? Damit genug Zeit für die Kinder mittags bleibt. Man möchte ja keine Rabenmutter sein, nicht war, Frau Schwesig?
Und das tun wir Mütter ja alles freiwillig. Wir müssten ja nicht. Wir könnten ja auch zu Hause bleiben. Haben wir jetzt halt davon, von unserem Selbstverwirklichungsdings.
Leider könnten wir unsere Kinder dann nicht mehr ernähren. Denn, dass allein der Mann die finanzielle Belastung einer Familie trägt, das klappt schon längst nicht mehr.
Und statt dass Sie sich Gedanken darüber machen, wie es endlich gelingen kann, eine flächendeckende, flexible und bezahlbare Betreuung für Schulkinder zu schaffen. Wie es gelingen kann, Arbeitgeber von flexibleren Arbeitszeitmodellen zu überzeugen, wie es gelingen kann, endlich Gleichberechtigung bei den Gehältern herzustellen, haben Sie nicht besseres zu tun, als den werdenden Müttern ihren allerletzten gesetzlich geregelten Schutz zu entziehen.
Ein Schutz, der übrigens nicht nur dem Wohle der Mütter dient, sondern auch dem Wohle des ungeborenen Lebens. Und über Letzteres haben Sie offensichtlich gar nicht nachgedacht.
Sarah Hinney
Hallo!
Es gibt sicher immer Arbeitgeber, die jede Regel und jedes Gesetz für sich ausnutzen werden. Dennoch ist mir dein Beitrag zu sehr schwarz-weiß.
Wenn eine meiner Krankenschwester-Kolleginnen schwanger wird, darf sie ab Bekanntgabe keinen Spätdienst, keine Nachtwache und keinen Wochenenddienst mehr machen. Die meisten hätten es gern anders. Der Spätdienst ist in den allermeisten Einrichtungen weit weniger körperlich anstrengend als ein Frühdienst. Ist diejenige sowieso eher ein Nachtmensch und kommt morgens schlecht aus den Federn, dann ist eine 5-Tage-Woche mit Frühdiensten mehr eine große Strafe als eine Erleichterung.
Wenn man an den Wochenende nicht mehr arbeiten darf, ist man in der Woche mehr da. Damit fallen mehrere freie Tage am Stück, was den Schichtdienst ein wenig attraktiv macht, weg. Keine „langen“ Wochenende mehr, keine 3-Tage-Woche mal so zwischendurch. Außerdem gilt auch hier in den meisten Einrichtungen (nicht in allen): Am Wochenende geht es oft etwas ruhiger zu als an den hektischen Wochentagen.
Und ja, ich hatte auch Kolleginnen, die Dauernachtwachen waren und die dies gern weiter gemacht hätten, weil sie im Tagdienst gar nicht mehr klar kame, einen ganz andren Rhythmus und andren Arbeitsablauf hatten. Das waren sicher nur eine „Hand voll“, aber wieso dürfen sie sich ihre Schwangerschaft nicht ebenso angenehm gestalten wie andere?
Die meisten meiner Kolleginnen landen bald im Berufsverbot, womit sich die ganze Aufregung erledigt hätte.
Deshalb sind die Krankenschwestern ein schlechtes Beispiel, wenn man gegen die Lockerungen des MuSchu protestieren möchte. Meine Kolleginnen und ich sind den Schichtdienst gewohnt und nehmen dessen Vorteile gern an. Schwierig wird der erst, wenn die Kinder da sind, kinderlos bietet der auch einige Annehmlichkeiten. Ich bin sehr dafür, dass Schwangere wählen dürfen, wann sie wie arbeiten möchten.
LG
„Die meisten meiner Kolleginnen landen bald im Berufsverbot, womit sich die ganze Aufregung erledigt hätte.“
Echt, das nehmen Sie einfach so hin??? Das ist für mich ein SKANDAL.
Frau Schwesig ist eine echte CDUlerin: einfach ‚mal ‚was ‚raunhauen, mal gucken wie die Welt damit umgeht. Diese höchst sensiblen Bereiche, wie „Mensch“ gehören gehegt, gepflegt, geliebt, gefördert. Dieses neue Andenken von Schwangerenarbeitszeit etc gehört definitiv komplett neu angedacht.