Das Netzwerk Digitale Medien Rhein-Neckar gibt Informationsveranstaltungen und Workshops für Schüler, Eltern und Pädagogen.
„Ein eigenes Smartphone eignet sich für Kinder im Alter zwischen elf und zwölf Jahren, wenn sie schon genug Erfahrung und Reife besitzen, mit den vielen Funktionen verantwortungsvoll umzugehen“, das schreibt die Medieninitiative „Schau hin“ für Eltern im Netz. Der Messenger-Dienst WhatsApp hat das Mindestalter für die Nutzung im vergangenen Jahr auf 16 Jahre erhöht. Die meisten anderen sozialen Netzwerke wie Facebook, Twitter, Instagram, TikTok und Co. haben eine Mindestaltersgrenze von 13 Jahren. Wer Youtube umfänglich nutzen will, braucht ein Google-Konto. Letzteres gibt es erst ab 16.
73 Prozent der Zehn- bis Elfjährigen und 83 Prozent der zwölf bis 13-Jährigen nutzen täglich WhatsApp. Bei den Sechs- bis Siebenjährigen sind es 17 Prozent, bei Kindern im Alter von acht bis neun Jahre sind es 36 Prozent. (Quelle: KIM-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest von 2018)
Smartphone, Internet und Co. sind pädagogische Herausforderungen, mit denen sich Eltern, Schulen und Pädagogen intensiv beschäftigen müssen. Der soziale Druck ist enorm. Wenn „alle“ ein Handy haben, wer will das seinem Kind dann vorenthalten? Wenn „alle“ Sechstklässler per WhatsApp in der Klassengruppe kommunizieren, wer will das seinem Kind dann verbieten? Wenn „alle“ Fornite spielen, kann das doch nicht so schlimm sein? In vielen Familien ist die Diskussion um die Mediennutzung ein Dauerbrenner, und nicht alle Eltern sind in der Lage, auf Schritt und Tritt zu verfolgen, was ihre Kinder im Netz so tun, welche Videos sie sehen, mit wem sie chatten, was sie spielen.
Fahrradfahren ohne Helm, Schutzweste und Refl ektorstreifen? Im Dunkeln allein vom Sportplatz nach Hause? Alleine ins Freibad? Für viele Eltern von Grundschulkindern ist heute unvorstellbar, was für jene Eltern, als selber Kinder waren, ganz normal war. Im Kontrast dazu bewegen sich viele Kinder ganz schutzlos im Netz.
Nun mag man zu Recht sagen, dass beides nicht vergleichbar ist. Ein Helm schützt vor körperlicher Versehrtheit. Wer im Kinderzimmer mit dem Handy auf dem Bett liegt, dem droht kein Loch im Kopf, außer er fällt ungeschickt aus dem Bett. So viel zur Theorie.
Aber es drohen andere Gefahren. Psychische Wunden, die schwerer heilen, als eine Platzwunde.
Cybermobbing, Cybergrooming, Spielsucht, Abzocke, Pornografie, Gewaltvideos, Datenmissbrauch, Hetze, Extremismus. All diese Gefahren liegen oftmals nur einen Klick entfernt von diesem harmlosen, schönen Internet, das so zahlreiche positive Aspekte hat. Viele Eltern fühlen sich davon überfordert. Aber es gibt Unterstützung.
Günther Bubenitschek ist Erster Kriminalhauptkommissar der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit diesen Themen. Anja Kegler ist Soziale Verhaltenswissenschaftlerin und Referentin des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg.
Rat, Informationen und praktische Hilfe für Eltern und Pädagogen gibt das Netzwerk Digitale Medien Rhein-Neckar. Das Besondere? Hier gehen Kriminalprävention und Medienpädagogik Hand in Hand, die Informationsveranstaltungen und Workshops für Schüler, für Eltern und Interessierte durchführen. Der Fokus liegt auf den Sozialen Netzwerken und Cybermobbing. Computerspiele, der kindliche Medienkonsum und seine Auswirkungen stehen ebenfalls auf der Agenda. Die Veranstaltungen werden meist von einem Tandem – bestehend aus einer Pädagogin und einem Polizeibeamten – durchgeführt. StadtLandKind hat beide getroffen.
Günther Bubenitschek ist Erster Kriminalhauptkommissar der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit diesen Themen. Anja Kegler ist Soziale Verhaltenswissenschaftlerin und Referentin des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg. Zusammen sind sie ein unschlagbares Team.
Ansetzen, bevor etwas passiert ist
„Pädagogisch ausgerichtete Informationsangebote zur Nutzung digitaler Medien werden oft so wahrgenommen, dass sie am realen Leben vorbeigehen“, sagt Anja Kegler. Dagegen würden Angebote im Rahmen der Kriminalprävention unter dem Makel leiden, zu einseitig zu sein. Letztere würden oftmals ohnehin erst dann nachgefragt, wenn schon etwas vorgefallen ist, beispielsweise ein Kind per Chat in der Klassengruppe gemobbt wurde.„Dann wollen Schulen und Eltern möglichst ganz schnell Hilfe.“ Bubenitschek und Kegler setzten viel früher an. Bestenfalls dann, wenn noch nichts passiert ist. Das Team setzt den Fokus dabei auf die Realität.
„Wenn alle WhatsApp nutzen, dann kann ich dem eigenen Kind natürlich sagen, dass es lieber einen sicheren Dienst, wie Threema, nutzen soll, aber das ist für das Kind eine einsame Angelegenheit, wenn es dort alleine ist“, erklärt Bubenitschek und fasst damit letztlich die gesamte Problematik zusammen. Informationsveranstaltungen in Klasse 5, wie sie an weiterführenden Schulen angeboten werden, seien zwar schön, aber letztlich überholt, weil viel zu spät. Kegler und Bubenitschek gehen deshalb nicht nur in weiterführende Schulen, sondern seit Anfang des Jahres auch in Grundschulen. Und eigentlich ist das die logische Konsequenz, denn spätestens mit dem Eintritt in die weiterführende Schule bekommt die Mehrheit der Kinder ein Smartphone. Selbst im Grundschulalter nehmen Smartphones, PC- und Onlinespiele sowie Youtube einen immer größeren Stellenwert ein.
Entsprechend groß ist auch das Interesse der Eltern. Wer sich allerdings konkrete pädagogische Handlungsvorgaben im Umgang mit Smartphone und Co. verspricht, wird enttäuscht. Kegler und Bubenitschek klären über praktische Dinge auf. Sei es die Altersfreigabe von Filmen, Videospielen oder sozialen Netzwerken. Wichtigste Botschaft ist aber, dass sie die Eltern in die Verantwortung nehmen. „Sie sind die Eltern, Sie kennen ihr Kind am besten, Sie wissen, wie weit es ist und Sie müssen sich mit der digitalen Welt auseinandersetzten und Sie müssen mit ihren Kindern immer im Gespräch bleiben“. Aber es sind nicht nur die Eltern, denen die Weiterbindung gilt.
Bubenitschek und Kegler gehen auch direkt zu den Kindern in die Grundschule ab der 4. Klasse. Dort werden spielerisch die Grundsteine für einen sicheren Umfang im Netz gelegt. Ganz praktisch: Wie lege ich mir ein sicheres Passwort an, was ist Cybermobbing, wie verhalte ich mich im Netz und was muss ich bei Computerspielen beachten. Geübt wird das übrigens ganz klassisch. „Wir basteln“, sagt Kegler schmunzelnd. Und nicht nur die Kinder profitieren davon, auch die Pädagogen selber. „Grundschulkinder haben noch ein enormes Mitteilungsbedürfnis. Die erzählen viel mehr und wir erfahren immer wieder neue Dinge, lernen neue Spiele kennen, bleiben so selber immer auf dem Laufenden.“ Das müssen die beiden auch, denn nichts verändert sich schneller, als die digitale Welt.
shy // Fotos: privat
Links-Tipps:
Das Informationsangebot zur Nutzung digitaler Medien für die Region Rhein-Neckar/Heidelberg mit Informationen und umfangreichem Downloadbereich. www.digital-bildung-praevention.de
„SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht.“ „Schau hin“ ist eine Initiative, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die beiden öffentlich-rechtlichen Sender. www.schau-hin.info
Viele wertvolle Tipps gibt es auch auf der Seite www.polizei-beratung.de
Siehe auch „Mobbing per Chat – das Netz vergisst nie“