Auf der „Kleinen Eselranch“ in Groß-Rohrheim bietet Eseltrainerin Melanie Prunzel seit Kurzem nicht nur Ferienworkshops und Kindergeburtstage an, sondern auch Konzentrationstraining für Grundschulkinder.
Unruhige Kinder, verträumte Kinder, zappelige Kinder, also eigentlich ganz normale Kinder, haben es in der Schule oft schwer. Wer nicht stillsitzen kann oder sich in Tagträumen verliert, kann dem Unterricht natürlich nicht folgen. Was aber folgt sind Leistungsabfall und Probleme, nicht nur mit den Lehrern, sondern auch zuhause. Hier setzt das Konzept „Wieherndes Klassenzimmer“ an. Bis zu fünf Kinder der 1. bis 4. Klasse üben in vier Einheiten zu 90 Minuten an ihrer Konzentration. Unterstützt werden sie dabei von zertifizierten Konzentrations-TrainerInnen und von vierbeinigen, geduldigen Begleitern. Als eine der ersten Absolventinnen ließ sich Melanie Prunzel 2018 von Yvonne Katzenberger und Dr. Ruth Katzenberger- Schmelcher, zwei Schwestern, die das Konzept in Bayern entwickelten, zur „KKP-Konzentrationstraining mit Pferden“ zertifizieren. Da Melanie Prunzel aber mit Eseln und nicht mit Pferden – so wie eigentlich vorgesehen – arbeitet, hat sie ihr Angebot kurzerhand in „Tierisches“ Klassenzimmer unbenannt. „Esel wiehern nicht, erzählt sie, sondern sie rufen oder schreien oder iahen“, erklärt Melanie Prunzel.
Vier kleine Esel leben artgerecht gehalten auf dem gepachteten Stück Land in Groß-Rohrheim und fühlen sich hier so richtig wohl. Alle vier kaufte die Tierfreundin aus privater, „sehr schlechter“ Haltung, sie wurden vernachlässigt und misshandelt. „Das ist leider, was Esel betrifft, keine Seltenheit“, erzählt die Trainerin, die Peter, Monty, Elvis und Benji sorgfältig und liebevoll aufgepäppelt hat. Für die Arbeit mit Kindern eignen sich die Esel besonders gut. „Sie sind überaus geduldig und ruhig“, erzählt die Trainerin, „sie strahlen diese Ruhe geradezu aus und die meisten Kinder fassen sofort Vertrauen. Esel sind von Natur aus sehr gelassen und nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen, sie machen auch keine hektischen Bewegungen, wie manche Pferde.“
Die Einheiten zum „Tierischen Klassenzimmer“ laufen immer nach dem gleichen Schema ab. Zuerst werden die Aufgaben vorgelesen und aufgeteilt. Dann bauen die Kinder einen Parkour nach bestimmten Vorgaben auf. „Es ist vor allem für Kinder mit ADHS oder Konzentrationsschwäche am Anfang nicht leicht“, erzählt Prunzel. „Diese Kinder sind total unter Strom. Sie stürmen zu den Eseln und vergessen, was ihre eigentliche Aufgabe war, oder auch nur das Tor zu schließen. Selbst nach der fünften Erinnerung.“ Viele Kinder sind nicht nur unruhig und „vergesslich“, es fällt ihnen sehr schwer bis zum Schluss an einer Aufgabe zu bleiben. „Die Inhalte an sich sind eigentlich sehr leicht“, berichtet Prunzel. „Für die Kinder ist das Zuhören das große Problem, viele sind entweder zu hektisch und schnell oder zu verträumt und dadurch abgelenkt.“ Doch diese Unruhe legt sich im Verlauf des Trainings. Die Kinder werden von Stunde zu Stunde fokussierter. „Sie müssen die Esel über den Parkour führen, was ja an sich schon eine Herausforderung ist, gleichzeitig müssen sie aber auch Aufgaben lösen. Zum Beispiel Gegenstände in einem Säckchen ertasten und benennen.“ Abgelöst werden die aktiven Phasen durch ruhige Phasen in der kleinen Holzhütte der Ranch oder der Sitzecke. Hier wird eine Geschichte vorgelesen, zu der die Kinder anschließend Fragen beantworten müssen. Natürlich ist auch bei der Geschichte einer der Esel immer dabei. „Peter hört immer ganz ruhig zu, ab und zu wackelt er mal mit den Ohren. Dabei kaut er genüsslich Heu und dieses ruhige und gleichmäßige Kaugeräusch beruhigt die Kinder zusätzlich.“
In den Geschichten und den Fragen, die anschließend beantwortet werden müssen, geht es stets um Indianer. „Zum einen faszinieren Indianer Kinder heute noch genauso wie früher, zudem bietet die Welt der Indianer Identifikationspotential. Indianer müssen mutig sein und sich gut konzentrieren können, zum Beispiel bei der Jagd.“ Das leuchtet den Kindern sofort ein. Mit dem Leitspruch: „Ich bin mutig, ich bin schlau – wie ein Indianer. Howgh!“ feuert sich die Gruppe vor jeder Aufgabe an. „Zuerst finden die Kinder das etwas komisch, aber dann lieben sie es. Nach dem Kurs im Herbst hat mich eine Mutter angerufen und erzählt, dass ihre Tochter nach einer Mathearbeit aus der Schule kam und meinte: „Ich habe mich heute konzentriert wie ein Indianer.“ Ganz am Ende der Trainingseinheit des Tages dürfen die Kinder „ihre“ Esel natürlich auch noch ausgiebig bürsten und streicheln. Als kleine Belohnung für die tolle Mitarbeit. Denn noch eines lernen die Kinder auf der „Kleinen Eselranch“: Achtsamkeit. „Es geht mir nicht nur um die Steigerung der kognitiven Fähigkeiten“, erklärt Melanie Prunzel, die eigentlich als freie Journalistin und Autorin bei der Gemeinde Einhausen in der Öffentlichkeitsarbeit tätig ist, „sondern auch darum, dass die Kinder achtsam miteinander umgehen – und natürlich auch mit den Eseln.“ bw // Fotos: Aileen Axt
Kontakt:
Melanie Prunzel, Die kleine Eselranch, Radweg an der L3111, 68649 Groß-Rohrheim
Buchungen für das Konzentrationstraining mit Esel nach dem KKP-Konzept für Schulkinder von der 1. bis zur 4. Klasse unter: tierisches-klassenzimmer.com/konzentrationstraining, Termine für 2019 auf der Website. Anmeldungen unter: info@kleine-eselranch.de
Mehr zum Konzept „Wieherndes Klassenzimmer“ unter: wieherndes-klassenzimmer.com