Als ihre Henne mitten im Winter ein Ei legt, ist für Jana und Jens Steingässer klar, dass der Klimawandel auch im heimischen Odenwald angekommen ist, wo die Familie mit Hühnern, Katzen, Schildkröten und Pferden lebt. Der Klimawandel beschäftigt die beiden so sehr, dass sie ihm schließlich hinterherreisen. Für die Ethnologin und den
Fotojournalisten geht es nach Grönland, Lappland, Südafrika, Australien und über die Alpen. Und die Kinder? Die kommen einfach mit! Seitdem veröffentlicht die Familie Sach- und Reisebücher über ihre Erlebnisse und über den Klimawandel. Über schmelzende Eisberge, verhungerte Schlittenhunde über Dürre und über die herzzerreißende Schönheit der Welt. Ganz frisch erschienen: Hannahs Reise. Ein Reisetagebuch aus der Sicht der zweitältesten Tochter Hannah, die sich fragt: Warum nervt mein Bruder so sehr und wie geht es unserer Erde? Wir haben Hannah und ihrer Mutter Jana Steingässer einige Fragen zu ihrem neuen Buch gestellt.
Liebe Jana, liebe Hannah, herzlichen Glückwunsch zu eurem neuen wunderschönen und spannenden Buch. Wie kam es denn dazu?
Jana: Also eigentlich natürlich schon durch das Vorgängerbuch „Paulas Reise“, denn da gab es viele Überschneidungen zum Thema Wasser. Einmal weil sich Klimawandel auf Ozeane auswirkt, und zum anderen, weil Extremwetter durch Klimawandel bestärkt werden – und dazu gehört auch, dass es mal ewig gar nicht regnet oder schneit, dann plötzlich viel zu viel auf einmal. So hat uns das Thema Wasser also schon begleitet. Und in unserem Garten hatten wir damals einen Teich, der wie ein Wimmelbild war. Unter anderem eben mit krötigen Bewohner. Da haben wir alle live miterlebt, wie eng Leben von Wasser abhängt.
Wir haben gelesen, dass es diesmal um die Wasserknappheit geht, in welche Länder haben euch eure Reisen diesmal geführt?
Jana: Ich würde sagen, es geht nicht vordergründig um Wasserknappheit, sondern um sehr grundlegende Fragen: Wem gehören eigentlich die Ressourcen unserer Erde und wer hat das Recht, zu entscheiden, wie wir damit umgehen? In manchen Klimazonen ist Wasser knapp, aber auch dort, wo eigentlich genug Trinkwasser zur Verfügung steht, verschmutzen wir Menschen es. Auf ganz viele Arten.
Hannah: Ein Grund, warum ich kein Fleisch mehr esse und versuche, aus alten Kleidern neue Sachen zu nähen.
Jana: Wir waren diesmal in Italien, wo der Fluss Tagliamento zu unserem Ärger einfach verschwand. Dann waren wir in Spanien und in Marokko. In Spanien waren wir auch mit Fischern unterwegs, die aus dem Meer mehr Müll holen als Fisch.
Hannah: Marokko war superheiß und trocken. Manche Menschen, die wir getroffen haben, müssen super weit laufen, um Wasser zu bekommen für sich und ihre Tiere.
Jana: Wir waren in Israel und in Jordanien. Da ging es zum einen viel darum, wem eigentlich ein Fluss gehört, wenn viele Länder daran angrenzen. Und es ging um schlaue Erfindungen, die
beim Wassersparen helfen. Oder anders gesagt: Mit denen auch in trockenen und heißen Gegenden Felder bewässert werden.
Hannah: Am coolsten war die Begegnung mit den Walen.
Jana: Wir haben vor der französischen Mittelmeerküste auf einem Polynesischen Katamaran eine ganz andere Welt kennengelernt: das Meer.
Wie lange wart ihr unterwegs?
Jana: Das ist echt schwer zu sagen. Die Reisen haben wir ja nicht an einem Stück gemacht, sondern über mehrere Jahre hinweg. Insgesamt waren das einige Monate Reisezeit.
Wo hat es euch am besten gefallen?
Jana: Im Wasser!
Hannah: Auf der Vaka Okeanos im Mittelmeer und in El Rocio in Spanien, und auch in Jordanien. Eigentlich überall.
Durst-Revolte in Marokko heißt ein Kapitel, was bedeutet das?
Hannah: Wenn die Menschen Durst haben und nicht genug Wasser zum Trinken haben, aber nebenan auf den Feldern Wassermelonen gegossen werden, dann reicht es ihnen eben. Vor allem wenn sie die Melonen nicht mal selbst essen, weil sie ganz woanders hingebracht werden zum Verkauf.
Jana: Zugang zu sauberem Wasser ist eigentlich ein Menschenrecht. Aber oft wird das wenige Wasser auch anders genutzt, nämlich für die Bewässerung von Nutzpflanzen. Oder in der Herstellung von Produkten. Das lassen sich Menschen nicht mehr einfach so gefallen. Auch wenn es in manchen Ländern nicht ungefährlich ist, seine ehrliche Meinung zu sagen.
Was habt ihr aus dieser Reise gelernt – und was können wir von euch lernen?
Jana: Ganz klar: Wasser ist Leben. Ein alter Spruch, der so wahr ist. Wir haben gelernt, dass solche Pflanzen, die echt viel Wasser brauchen, ausgerechnet dort angebaut werden, wo es sowieso schon trocken und heiß ist. Zum Beispiel in Südspanien, damit wir auch im Winter Erdbeeren kaufen können in Deutschland. Oder Melonen aus Marokko. Wir haben gelernt, dass eigentlich kein Wasser verloren geht auf unserem Planeten, aber dass wir Menschen eben kostbares Trinkwasser stark verschmutzen. Und viel Dreck und Müll gelangt über Bäche und Flüsse dann auch in unsere Meere. Wir haben auch gelernt, dass unsere Meere nicht nur Müllhalden sind, sondern warm und sauer werden. Jetzt könnten wir Menschen sagen: Egal, wir leben ja nicht im Meer! Aber dann haben wir nicht verstanden, dass wir ohne gesunde Meere nicht leben können. Weil sie für gutes Klima, für Nahrung und für Sauerstoff sorgen. Was uns klar geworden ist: Alles hängt miteinander zusammen.
Hannah: Ich habe kapiert, dass das, was wir schon zum Klimaschutz machen, auch unseren Gewässern und Meeren hilft. Weniger kaufen, weniger Sachen neu herstellen, weniger Fleisch essen, weniger Gift in die Umwelt abgeben, mehr Energie aus Sonne und Wind und so machen. Nicht egoistisch sein und nur an uns, sondern auch an andere Menschen denken.
bw // Fotos: Jens Steingässer