„Auch eine Portion Frustration gehört zum Leben dazu“

ValentinskalDr. Stephan Valentin lebt in Heidelberg und Paris, ist nicht nur Kindertherapeut, sondern auch Autor der Buchreihe: „Rocky und seine Bande.“ In jüngsten Band geht es  um den wichtigsten Tag im Jahr: den Geburtstag. Und um die vielen kleinen und großen Probleme, die Kinder und Familien damit haben (können). Passend zum großen Kindergeburtstags-Special der aktuellen StadtLandKind-Ausgabe haben wir uns mit ihm über sein Buch unterhalten. 

StadtLandKind: Herr Dr. Valentin, was uns als Erstes aufgefallen ist. Enzo ist leicht übergewichtig. Außerdem ist er nicht der Beliebteste in der Klasse … warum ist der trotzdem ein Held?

Alle Kinder sind Helden. Manche erscheinen vielleicht nicht als solche, weil ihr Äußeres nicht dem Helden-Stereotyp entspricht. Enzo ist der Liebenswerte in „Rockys Bande“. Er versucht immer zu schlichten, wenn es Streit gibt und ist unheimlich mitfühlend. Es sind seine menschlichen Werte, die ihn zum Held machen.

SLK: Enzo hat Geburtstag und möchte seine ganze Klasse einladen. Das klappt aber nicht … eigentlich ein schöner Gedanke, dass alle eingeladen werden, statt immer nur dieselben beliebten Kinder.

Das finde ich auch! Ich war als Kind schon traurig, wenn ein Klassenkamerad seine Geburtstagseinladungen verteilte und ich keine bekam. Das waren einsame Momente. Enzo ist ein lieber Kerl. Er wollte alle einladen, um niemanden zu verletzen. So ist Enzo eben …

SLK: Enzos Vater ist arbeitslos, Enzo wird geärgert, fast schon gemobbt. Ernste Themen werden in einen lustigen Comicstil verpackt. Passt das?

Ja! Kürzlich wurde das Buch in Frankreich als bestes Kinderbuch auf einem Literaturfestival ausgezeichnet. Die Jury bestand aus Kindern. Sie fand genau darum die Geschichte so toll  — sie ist realistisch und spiegelt den Alltag der Kinder wider. Zum Beispiel sagten sie über Viktor, der Enzo mobbt: „Ja, das kennen wir! So einen haben wir auch in unserer Klasse!“ Als Kinderpsychologe liegt es mir daran, meinen jungen Lesern zu zeigen, dass ich sie und ihre Probleme ernst nehme. Mit meiner Buchreihe „Rocky und seine Bande“ möchte ich helfen, dass sie Alltagsprobleme besser bewältigen.

SLK: Tim ist ebenfalls bei Enzo eingeladen. Plötzlich weigern sich seine Eltern, ihm ein Geschenk für die Party zu kaufen. Er solle doch etwas basteln. Das ist doch ziemlich unrealistisch, oder?

Zum Glück nein. Um mich herum stöhnen alle Eltern, dass sie ständig Geschenke für Partys kaufen sollen. Man braucht schon ein richtiges Budget dafür … Warum nicht sein Kind auf die Idee bringen, das Geschenk selbst zu basteln. Sicher wird das Geburtstagskind erstaunt sein, weil das Geschenk aus der Reihe fallen wird. Aber ich wette, unter richtigen Freunden ist es genau das richtige Geschenk.

SLK: Es fällt auf: die Kinder sind relativ „allein“. Unvorstellbar, dass in der Grundschule zwei Kinder einer Klasse am selben Tag feiern und sich die Mütter nicht einschalten und vermitteln… oder das ein Kind so offen gemobbt wird und sich niemand einschaltet. Oder doch nicht?

Was das Einschalten betrifft — nun, das kommt ganz auf den Elterntyp an. In wie weit fühlen sich die Eltern verantwortlich, auch noch die Geburtstagsfeiern zu koordinieren. In einer Gesellschaft, in der Kinder stark überbehütet werden hat man das Gefühl, das viele Eltern gerne alles kontrollieren möchten, um ihr Kind vor Frustrationen zu schützen. Ich halte das für einen Fehler. Auch eine kleine Portion Frustration gehört zum Leben dazu. Sollten sich Kinder nicht auch selbst entscheiden dürfen, auf welchen Geburtstag sie gehen möchten?

In Bezug auf das Mobbing sieht die Realität leider so aus, dass die Opfer schweigen, weil sie denken, dass wenn sie reden, alles nur noch schlimmer wird. Außerdem wird gemobbt, wenn kein Erwachsener zuschaut. Ich wünschte, Kinder würden Mobbing früher signalisieren, damit man ihnen eingreifen und helfen kann.

SLK: Wie beliebt bin ich? Schon für kleine Kinder beginnt das Ranking – oft sogar schon im Kindergarten. Wie kann man hier gegensteuern?

Beliebt zu sein ist sicher schön. Nicht nur für Kinder, sondern auch für uns Erwachsene. Wahre Freunde zu haben, und wenn es nur ein einziger ist, ist noch besser. Denn Freunde sind für einen da, wenn man Hilfe braucht. Das sollte man seinem Kind vermitteln.

bw// Fotos: sho (Aufmacherbild), privat

Am Sonntag, 16. November signiert Stephan Valentin sein Buch! Ab 12 Uhr im Weingut Adam Müller, Adam-Müller-Straße 1, 69181 Leimen. 

Und zum Buch geht’s hier: pfefferkorn-verlag.de

Frustration

30. September 2014
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