Äh, nein. Oder doch. Mal überlegen …
Liebe S.,
eigentlich wollte ich heute ja über das Thema Einschulung bloggen. Es klappt aber irgendwie nicht. Denn, wenn ich mir die Bilder von der Einschulung meines Sohnes ansehe: grauenhaft. Ich bin entweder total verheult, oder verstecke mich hinter einer riesigen, schwarzen Sonnenbrille. Außerdem versuche ich auf jedem Bild mein Kind an mich zu pressen, während er mit ernster, konzentrierter Miene von mir wegstrebt.
Also wirklich nicht meine beste Performance … bisher.
Das Thema Sex hat aber auch mit der Einschulung zu tun, denn, angeblich sollten Kinder ja aufgeklärt sein, wenn sie in die Schulen kommen. Aus reinem Selbstschutz.
Aber ungefragt soll man sie keinesfalls mit dem Thema belästigen. Schwierig also.
Denn: Als mein Sohn drei war und ich wieder schwanger wurde, wartete ich eigentlich täglich auf die Frage: wie funktioniert das denn? Wie kommt ein Baby in deinen Bauch. Aber nichts. Mein Sohn wurde fünf und wollte nichts wissen, er wurde sechs, keine Spur von Interesse, er wurde sieben und kam in die Schule. Immer noch hatte er nichts gefragt. Ab und zu wandte ich mich besorgt an seinen Vater. Sollte man mal etwas sagen … nee, lieber nicht. Alles total verkrampft.
Doch dann: eines Tages kramte er vor dem Schlafengehen ein Kinderbuch raus, ein Sachbuch für ganz Kleine, es geht um den menschlichen Körper. Eifrig zeigte er auf die Seite mit den Kaulquappen ähnlichen Samen, die auf dem Bild grimmig lächelnd und fleißig wie die Bienchen zur Eizelle wuseln um ja erster zu sein und fragte ganz sachlich:
Mama, weißt Du eigentlich, was Sex ist?
Äh… nein. (Wieso lüge ich jetzt spontan?) Also, naja. Ich war verstört und mehr als peinlich berührt. Was jetzt?
Woher kennst Du denn dieses Wort? (Erst mal zurückfragen, gute Taktik, um Zeit zu gewinnen)
Aus dem Hort. Oskar hat mir alles darüber erzählt. Zusammen mit Ava. Wir saßen nach dem Mittagessen auf dem Kirschbaum …
Und was weiß Ava davon?
Alles. Einfach alles. Sie hat ihre Mutter sogar schon dabei beobachtet. Durchs Schlüsselloch.
Drei Jahre später baden meine Kinder gemeinsam. Anschließend steht der Weihnachtswunsch meiner Tochter fest. Ein Penis! Aber so ein richtig schöner soll es sein. Das geht nicht? Gemeine, gemeine Mama!
Jedenfalls: Seit diesem ersten Aufklärungsgespräch suche ich nach guter Literatur, die Kinder so unaufgeregt, sachlich und sympathisch wie ein Gespräch auf einem sonnigen Kirschbaum an das Thema heranbringt. Denn, bei uns war das die Angelegenheit erst mal wieder komplett vom Tisch.
Heute ist mein Sohn 9 Jahre alt und sobald irgendjemand auf das Thema zu sprechen kommt, hält er sich schreiend die Ohren zu. Ein Gespräch ist so natürlich nicht möglich. Nur einmal kam er darauf zurück und meinte sehr gequält: „Also, zwei Mal müsst ihr Sex gehabt haben. Ihr habt ja zwei Kinder. Aber ich werde DAS später keinesfalls machen. Dann heirate ich lieber nicht!“
Meine Tochter sah nachdenklich zu uns rüber und meinte tröstend: „Ich habe dich aber trotzdem lieb!“
Ich begann Aufklärungsbücher auszuleihen und ließ sie unauffällig herumliegen. Mir persönlich gefiel vor allem der comicartige Klassiker „Peter, Ida und Minimum“, der seit 1979 bei Ravensburger erscheint, nette Familie, nette Geschichte. Dachte ich. „Boah, voll eklig“ (mein Sohn).
Doch jetzt ist mir das neu erschienene Kinderbuch „Klär mich auf“ von Katharina von der Gathen und Anke Kuhl in die Hände gefallen. Auf den ersten Blick fand es ich gewöhnungsbedürftig – mir wurde aber schnell klar, warum: endlich wird hier mal das Thema aus Kindersicht behandelt. Die beiden Autorinnen haben 101 (anonyme) Fragen von Grundschulkindern auf kleine Zettel schrieben lassen. Die gestellten Fragen sind mit abgebildet, mit allen Rechtschreibfehlern und Krakeleien. Ergänzt werden die sachlichen und eingängigen Antworten von lustigen Illustrationen. Witzig und unterhaltsam für Erwachsene (ich habe auch noch etwas dabei gelernt) und für Kinder nicht nur wichtig, sondern so unaufgeregt und sympathisch wie ein Gespräch unter Freunden auf einem sonnigen Kirschbaum …
Finde ich jedenfalls. Mal sehen, was mein Sohn dazu sagt.
In diesem Sinne!
Deine …
P.S. Und hier geht’s zum Buch: klett-kinderbuch.de