Sehr geehrter Herr Müller, Sie schreiben und sprechen und lehren zum Thema Geld. Ist es nicht so, dass „man über Geld eigentlich nicht spricht“? Und wenn man es doch tut, dann ausschließlich negativ? Woher kommt das?
Das ist leider gerade in Deutschland so. Viele Menschen denken immer noch, wer Geld hat, muss ein Angeber sein, da kann doch etwas nicht stimmen oder derjenige ist nur so ein Protzer. Aber darum geht es nicht. Diese Leute sollten verstehen lernen, dass man mit mehr Geld mehr Gutes tun kann. Für sich selbst, zum Beispiel mit gesunder nachhaltiger Ernährung oder umweltfreundlicher Mobilität. Und für andere, indem man sie unterstützt und spendet. Vielleicht sind die negativen Assoziationen auch eine Ausrede dafür, sich nicht mit dem Thema Geld beschäftigen zu müssen.
„Geld muss man lernen“, sagen Sie. Aber kann man Geld wirklich lernen, so wie eine neue Sprache oder Skifahren?
Ja, und genau so. Geld lernen geht nicht i Schnellschuss. Das ist wie bei einer Diät. Wir wissen alle, dass Blitzdiäten nur eines bringen, den Jo-Jo-Effekt. Zunächst muss man seine Defizite erkennen und dann langfristig lernen, sein Verhalten zu ändern. Beim Thema Geld fängt das, wie überall sonst, auch erst mal mit dem Mindset an. Jeder muss sein persönliches „Warum“ finden. Das heißt, warum und wofür will ich Geld lernen und haben? Bei mir persönlich ist es Freiheit. Ich will viel Zeit mit meiner Familie verbringen. Geld ermöglicht es mir, ein Leben zu führen, so wie ich es möchte, und gleichzeitig ist es wichtig für mich als Ehemann und Vater zu wissen, dass meine Familie gut versorgt ist.
Wie könnte echte unabhängige Finanz-Bildung an den Schulen aussehen – und wer sollte sie umsetzen?
Geld muss ein eigenes Schulfach werden. Wenn Sie mich fragen, ab der 1. Klasse und gleichberechtigt neben Mathe und Deutsch. Bisher lernen unsere Kinder so gut wie gar nichts darüber. Durchschnittlich gibt es während der gesamten Schullaufbahn 15 bis 20 Unterrichtsstunden, in denen es irgendwie um Geld geht. In einem extra Fach könnte erklärt werden, wofür Geld gebraucht wird, wie man vernünftig spart, wie Versicherungen, Steuern, Bankgeschäfte und der Aktienmarkt funktionieren. Dass man beim Handykauf das Kleingedruckte lesen muss, wie man Gehaltsverhandlungen führt, sein Alter absichert. Unterrichtet werden sollte es von Pädagogen, wie alle anderen Fächer auch, die zusätzlich ausgebildet werden.
Das Brettspiel Monopoly spielt in Ihrem Buch eine wichtige Rolle. Zugleich betonen Sie an vielen Stellen die moralischen Aspekte im Umgang mit Geld. Bisher dachten wir, dass es bei Monopoly darum ginge, ein Imperium aufzubauen und die Mitspieler in die Insolvenz zu treiben …
Es geht wie bei jedem Spiel oder Wettbewerb natürlich darum, dass man gewinnen will. Es zeigt aber auch, wie die eigene Haltung zum Thema Geld ist. Wer tiefstapelt und lieber kleine Straßen kauft, der ist wahrscheinlich im wahren Leben auch eher vorsichtig und hat eventuell Angst vor dem Umgang mit Geld. Wer aber auf die Schlossallee abzielt und sie kauft, der weiß, dass es eine langfristige Anlage ist, die sich dann richtig lohnt.
Wir sollen das Geld so sehr lieben wie unsere Familie und unsere Gesundheit, schreiben Sie. Den Geldschein küssen und streicheln, bevor wir damit an der Kasse bezahlen … nicht nur in Corona-Zeiten eine etwas merkwürdige Vorstellung, ehrlich gesagt. Das müssen Sie uns bitte etwas genauer erklären.
„Geld ist Energie, ob positive oder negative, hängt von dem eigenen Verhalten und wie man darüber denkt ab“
Es klingt vielleicht erst mal skurril, führt aber auch auf die Eingangsfrage zurück: Die Assoziationen von Geld und Negativität zu lösen. „Küssen und Streicheln“ ist natürlich als Bild gemeint. Aber eine gute, positive, liebevolle Haltung zu Geld, das ist absolut wichtig. Dann konzentriert man sich gern darauf. Ich sehe das so: Geld ist Energie, ob positive oder negative, hängt von dem eigenen Verhalten und wie man darüber denkt ab.
Kinder bekommen heute sehr schnell vermittelt: in Deutschland geht es ungerecht zu. Sie schreiben nun, jeder Mensch kann reich werden. Wie kann das sein?
Indem man den Zugang zu (Geld-)Bildung ermöglicht. Reichtum ist ja auch relativ. Ich sage jede*r kann es schaffen, mit dem richtigen Mindset seine Finanzen zu sortieren und einen Weg zu erlernen, individuelle Ziele zu erreichen, indem man sein Vermögen intelligent vermehrt.
Wir müssen also erst an unserer Persönlichkeit arbeiten, um wohlhabend zu werden? „Denn Geld“, so schreiben Sie, „verdirbt nicht den Charakter, sondern zeigt ihn.“ Bitte erklären Sie uns das.
Das ist ganz einfach: Wer ohne Geld unsympathisch ist, der wird auch mit Geld unsympathisch sein. Wer ohne Geld ein guter Mensch ist, der wird auch mit Geld ein guter Mensch sein.
Und zum Schluss bitte noch die drei wichtigsten Tipps, die wir unseren Kindern für den Umgang mit Geld beibringen sollten!
1. Wenn du etwas kaufen willst, was du nicht von einem Taschengeld bezahlen kannst, nimm keinen Kredit bei deinen Eltern auf, also borge dir kein Geld dafür, sondern spare. Das ist für die Zukunft der Kinder sehr wichtig. Ich halte gar nichts davon, Schulden zu machen.
2. Wir sollten unseren Kindern vermitteln, dass nicht jeder Wunsch sofort erfüllt werden kann. An erster Stelle sollten die Fragen stehen: Warum willst du es haben, weil deine Freunde es auch haben? Wirst du es wirklich nutzen? Hast du nicht schon drei andere davon?
3. Anderen zu helfen ist klasse. Nimm einen kleinen Teil, 10 Prozent deines Taschengeldes, und spende für andere Kinder, die es nicht so gut haben wie du. Zu wissen, dass man auch mit 50 Cent langfristig etwas Gutes tun kann, gibt auch Kindern ein tolles Gefühl.
bw // Fotos: Christian Hesselmann