Lieber entspannt getragen, als brüllend geschoben.
Was ein Baby gar nicht braucht:
Erstens: wunderschöne schadstofffreie Holzspielzeuge. Weil das Kind eh lieber an der garantiert nicht schadstofffreien Plastikrassel von der Schwiegermutter sabbert oder eine besondere Lutsch-Vorliebe für den garantiert saudreckigen Schlüsselbund entwickelt.
Zweitens: Babyklamotten, die aussehen, als wären sie für Erwachsene gemacht und hinten Knöpfe haben. Stellt Dir vor, Du müsstet den ganzen Tag auf einer Druckknopfreihe, Hosenträgern, einem Jeansbündchen und einer Kapuze liegen und könntest dich nicht mal umdrehen.
Was ein Baby unbedingt braucht:
Einen Kinderwagen. Kann man sich ein Mutterleben ohne Kinderwagen vorstellen? Nein, konnte ich auch nicht. Geht gar nicht. Absolut rätselhaft, wie Generationen von Menschen Kinder ohne Kinderwagen großgezogen haben. Vermutlich ist das Rad sogar nur für den Kinderwagen erfunden worden.
Ich hatte zwei, einen pro Kind, weil der hormonelle Verdrängungsmechanismus in Schwangerschaft Nummer zwei offensichtlich mein Erinnerungsvermögen getrübt hatte. Wahr ist: Beide Kinderwagen haben mich kurzzeitig an den Rande des Nervenzusammenbruchs gebracht.
Wagen Nummer eins bestach durch herausragende Hässlichkeit (Motiv: orangefarbene Katzen). Unglücklicherweise hatte ich die Anschaffung den Großeltern in Spe überlassen. Ob‘s am Motiv lag, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass das Kind, frisch geschlüpft, sich etwa drei Tage lang mit dem Kinderwagen arrangierte, dann war‘s vorbei.
Sobald ich, frischgebackene und stolze Mutter, das frischgewickelte, putzig gekleidete und frischgestillte Kind im Wagen platzierte, um die Unendlichkeit eines Tages mit neugeborenem Kind mit einem Spaziergang zu verkürzen – begann ein ohrenbetäubendes Gebrüllt.
So lange, bis sich das Kind vollkommen aufgelöst aufs Bio-Lammfell übergab.
Kind also raus aus dem Wagen und auf den Arm.
Kind glücklich.
Ich nicht: Wer jemals versucht hat, einhändig einen Kinderwagen zwischen parkenden Autos durch zu chauffieren und damit Bürgersteige zu überwinden, während man mit der anderen Hand einen Säugling über der Schulter hält und versucht, mit dem eigenen Schlüsselbein das wackelige Köpfchen zu stützen, weiß, dass das eine schier unlösbare koordinatorische Meisterleistung ist.
Drei Wochen habe ich durchgehalten.
Es folgt ein kleiner Auszug aus der Zitatensammlung meiner Mitmenschen:
„Dem Kind ist ja auch viel zu warm.“
„Das hat ja auch ganz kalte Füße.“
„Das gewöhnt sich schon dran.“
„Einfach brüllen lassen.“
„Das guckt ja auch direkt oben ins Licht, das blendet.“
„Die Spielzeugkette wackelt so doll, dass macht dem Kind bestimmt Angst.“
„Vielleicht mal so eine Spielzeugkette anbringen, damit es was zum Schauen hat.“
„Das hat Hunger, das hört man doch.“
„Vielleicht drückt was im Bäuchlein.“
„Bestimmt was in der Windel.“
Meine Erlösung war ein platter Reifen am Kinderwagen, vier Kilometer entfernt von daheim.
Der Wagen landete im Ackergraben. Ich habe ihn nie wieder gesehen.
Das Kind wurde mit einem Schal notdürftig an meinem Oberkörper festgebunden. Und da ist es dann auch geblieben. Etwa acht Monate lang. Nur der Schal wurde von ziemlich zügig durch ein Babytrageteil ersetzt. Übrigens ein Trageteil, dass heutzutage Hebammen die Haare zu Berge stehen lässt.
Zitatensammlung meiner Mitmenschen:
„Das ist aber ganz schlecht für den Rücken.“ (bezogen aufs Kind)
„Das ist aber ganz schlecht für den Rücken.“ (bezogen auf mich)
„Das sind doch viel zu viele optische Eindrücke.“ (fürs Kind)
„Das hängt doch da ganz schief.“
„Das kriegt doch ganz kalte Füße“.
„Dem Kind ist doch viel zu warm.“
Das schwitzende, schiefe Kind mit dem kaputten Rücken, den kalten Füßen und den vielen Eindrücken hatte aber aufgehört zu brüllen.
Heute sieht das Kind ganz normal aus. Unseren Rücken geht es auch prima, obwohl meiner noch Kind Nummer zwei tragen musste, aber das ist eine andere Geschichte und die betrifft dann Platz Nummer zwei meiner persönlichen der Liste der unnützen Dinge:
Das Buggy-Board mit Frosch-Motiv (Fortsetzung folgt…)
Herrlich geschrieben!