Viola Muster forscht beim ConPolicy-Institut für Verbraucherpolitik in Berlin zu nachhaltigem Konsum. Sie sagt: „Von allem viel zu viel zu konsumieren ist bei uns Normalzustand.“
StadtLandKind: Frau Dr. Muster, immer mehr Familien überlegen, wie sie ihren Alltag nachhaltiger gestalten können. Hat der extrem heiße Sommer im vergangenen Jahr die Menschen aufgeschreckt?
Dr. Viola Muster: Stimmt, es ist eine Verhaltensänderung zu beobachten, allerdings nicht erst seit dem Sommer. In bestimmten Bereichen, etwa bei Bio-Lebensmitteln, findet schon länger eine „Mainstreamisierung“ statt. Der Wunsch, die Umwelt zu schonen, ist nur einer der Gründe für diese Entwicklung. Vielen Konsumenten geht es zum Beispiel auch um ihre Gesundheit – oder um die ihrer Kinder.
Oft sind es erst einmal ganz kleine Dinge, die Familien in ihrem Alltag ändern: Glas- statt Plastikflaschen, Stoffwindeln statt Pampers, mal zum Bioladen statt zum Discounter. Ist das besser als nichts – oder doch nur der Tropfen auf den heißen Stein?
Es ist toll, wenn Familien so einen Einstieg finden und sensibilisiert werden. Aber man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass das schon nachhaltiger Konsum ist. Viele Familien handeln nur umweltbewusst, solange es sich mit ihrem Lifestyle verbindet. Beispiel Mobilität: Auch wer vorher kein Auto hatte, schafft sich oft spätestens beim zweiten Kind eines an – und fährt dann natürlich häufiger. Urlaubsflüge schlagen ebenfalls kräftig zu Buche, wenn es um unseren ökologischen Fußabdruck geht. Und je größer die Familie wird, desto mehr Wohnraum gönnen wir uns. Das sind die entscheidenden Punkte. Wirklich nachhaltig leben heißt: nicht Auto fahren, nicht fliegen, in einer möglichst kleinen Wohnung wohnen und möglichst wenig tierische Lebensmittel kaufen.
Das klingt anstrengend.
Das ist es auch. Die Strukturen, in denen wir leben, sind nicht auf Nachhaltigkeit ausgelegt. Fliegen, Autofahren, von allem viel zu viel zu konsumieren – das alles ist Normalzustand. Wer sich wirklich nachhaltig verhalten will, muss komplett ausscheren aus dem Strom. Dazu braucht man viel Kraft, Zeit und Überzeugung.
Was können wir tun, damit nachhaltiges Verhalten normal wird?
Mit unserem Konsum können wir Signale senden, aber es kommt auch darauf an, politisch zu sein: Wofür engagieren wir uns? Welche Parteien wählen wir? Um etwas zu bewegen, ist nicht nur unsere Rolle als Verbraucher, sondern auch die als Bürger entscheidend.
npo // Fotos: sho, privat