Passbilder sind angesagt. Biometrische. „Wir machen zwei Biometrische und dann noch zwei Schöne“, sagt die Fotografin zur Tochter.
Biometrische sind also offensichtlich nicht schön.
Lächeln soll sie jetzt, die Tochter.
„Jetzt lächel doch mal“, sagt die Fotografin.
Die Tochter lächelt.
„Nicht so. So richtig!“, sagt die Fotografin.
„Was meint die damit?“, frage ich mich und schweige.
Die Tochter lächelt tapfer.
„Nun zeig doch mal deine Zähne. Riiiiiichtig lächeln“, insistiert die Fotografin.
„Nein, das möchte ich nicht“, sagt die Tochter und lächelt weiter ihr ganz normales Lächeln.
„Aber so siehst du aus wie so eine Grinsebacke“, sagt die Fotografin hörbar genervt.
Wie bitte?
„Ich möchte aber nicht so lächeln“, sagt die Tochter jetzt etwas kläglich.
„Ich wäre Ihnen dankbar, wenn sie meine Tochter so lächeln lassen könnten, wie sie möchte“, sage ich wütend.
„Aber das sieht doch nicht hübsch aus“, sagt die Fotografin und mir platzt der Kragen.
„Könnten Sie sich bitte diese Sprüche sparen und einfach Passbilder machen?“, pampe ich die Fotografin an.
„Aber das kann man doch mal üben das richtig Lächeln“, sagt die Fotografin beleidigt zu mir.
„Zu Hause übst du das mal vor dem Spiegel“, sagt sie zur Tochter.
„Nein“, sagt die Tochter.
Warum müssen Mädchen und Frauen eigentlich immer lächeln? „Nun lächel doch mal“ oder „du siehst so viel hübscher aus, wenn du lächelst“. Selber tausendmal gehört.
Aber warum muss ich eigentlich hübscht aussehen? Und wer bestimmt, wann ich hübsch bin?
Und warum muss meine Tochter auf Passfotos ihre strahlend weißen Zähne zeigen, damit sie richtig gelächelt hat und deshalb für hübsch befunden werden kann?
Und wer bestimmt eigentlich, was „richtig lächeln“ ist?
Und warum sagt man Männern dann nicht auch, dass sie mal lächeln sollen?
Und warum hat die Fotografin meinen Sohn noch nie aufgefordert, für Passfotos zu lächeln?
Und warum hab ich nicht umgehend den Laden verlassen und woanders Passbilder gemacht?
Meine Tochter ist doch immer schön. Egal, ob sie lächelt oder nicht.