„Warum willst du eigentlich abnehmen?“, fragt der Sohn. Weil ich statt Maultaschen Konjak-Nudeln (8 Kalorien) esse.
„Nur zwei, drei Kilo“, sag ich. Wegen diesem hübschen Kleid im Schrank. Das spannt leider etwas über dem Hüftspeck. „Na und“, sagt der Sohn und rollt mit den Augen.
„Warum wiegst du dich immer?“, fragt die Tochter und wiegt sich auch. „Nur zum Spaß“, sagt sie.
Gute Frage. Mach ich schon immer. Das hat meine Mutter nämlich auch schon immer gemacht und irgendwann war ich mal ein bisschen zu dick. Also nicht wirklich dick. So ein wenig pummelig halt. Und da fing das an mit der Wiegerei. Und dann kamen die Diäten. Fünf Kilo rauf, fünf wieder runter. Dann noch drei runter. Pures Glück. Etwas später wieder acht dazu. Unglück. Dann wiederalles runter. Suppe, Slimfast, hungern, Sport. Dazwischen auch mal normal. Das übliche. Jahrelang.
Irgendwann zog ich aus. Das erste was ich kaufte, war eine Waage. Ich wiege mich täglich. Seit 30 Jahren. Manchmal weiß ich gar nicht, was da drauf steht auf der Anzeige. So sehr ist der Tritt auf das Ding automatisiert. Manchmal versaut mir die Zahl auch den Tag. Dann zieh ich irgendwas Hübsches – das mir eigentlich gut steht – nicht an. Weil meine Waage anzeigt, dass das jetzt nicht angezeigt ist.
Dann nehm ich was Schlabberiges aus dem Schrank und weil dann eh alles egal ist, muss ich mir auch die Haare nicht mehr machen und kann die kaputten Turnschuhe anziehen.
Das ist ziemlich bescheuert. Ich weiß das.
Ich hab übrigens kein Gewichtsproblem. Ich bin schon immer völlig normal. Seit 15 Jahren eher schlank. Ich könnte mich jetzt natürlich trotzdem aus Gewohnheit noch die nächsten 30 Jahre täglich weiter wiegen, aber das geht nicht.
Heute morgen hab ich die Waage an die Straße gestellt. Zum Mitnehmen. Das wird hart. Sie und ich, wir haben viel zusammen durchgemacht.
Aber ich möchte nunmal nicht, dass sich meine Tochter auch die nächsten 30 Jahre auf die Waage stellt. Ich möchte nicht, dass sie auch nur eine einzige Diät macht und niemals möchte ich, dass ihr eine dämliche Digitalanzeige den Tag versaut, bevor er richtig angefangen hat.