Die Bienen sterben – es leben die Bienen, dachte sich Moritz Laub und wurde Imker. Für StadtLandKind hat er von seinem Leben mit den Bienen erzählt. Dabei ging es um Milben und Monokulturen ebenso wie um geheimnisvolle Organe und überlaufene Imkerkurse. Fotografiert wurde er auf dem Gelände der Freien Waldorfschule Heidelberg, hier stehen sieben Bienenvölker seiner Imkerei.
Jedes Jahr im Frühling kommt für Moritz Laub der bange Moment. Der Moment, in dem er die Metall-Abdeckungen seiner Bienenkisten anhebt, um sich Klarheit zu verschaffen: Welchen Tribut hat der Winter gefordert? Wie viele seiner Bienenvölker haben überlebt? „Es bricht einem das Herz, wenn man eine Kiste öffnet und feststellen muss, da ist kein Leben mehr drin. Das ist das Schlimmste“, sagt der Imker. Die Gefahren, denen seine Tiere ausgesetzt sind, kennt er genau. Er weiß um das hohe Risiko, eines oder mehrere Völker über den Winter zu verlieren. Trotzdem – oder gerade deshalb – schmerzt ihn jeder Verlust. Zehn Prozent seiner Bienen hat er im Winter 2016/2017 eingebüßt. Viel zu viele, findet er, und gibt sich selbst die Schuld. „Ich habe die Bienen zu spät gegen Milben behandelt“, ärgert er sich. Auch wenn in der Branche 20 bis 30 Prozent Verlust noch als normal gelten, für Moritz Laub sind maximal drei Prozent akzeptabel.“
In einer Zeit, in der immer mehr düstere Zukunftsvisionen das Ende der Bienen und mit ihm das Ende der menschlichen Zivilisation prophezeien, hat sich der gebürtige Heidelberger entschlossen, Imker zu werden. Hauptberuflich. Einem Praktikum in Australien folgte die Ausbildung am Länderinstitut für Bienenkunde bei Berlin. 2014 legte Laub seine Gesellenprüfung ab und machte sich mit seiner Freundin, auch sie gelernte Imkerin, selbstständig. Aus den anfangs zehn Bienenvölkern sind mittlerweile 100 geworden. Die Holzkisten, die sie beherbergen, stehen an der Waldorfschule in Wieblingen, am Stift Neuburg in Ziegelhausen sowie in Sinsheim, wo sich auch die Imkerei befindet.
Die Biene gehört zum Öko-Image wie der Vollbart zum Hipster
Viel Flugverkehr herrscht nicht an diesem kühlen Morgen rund um die Bienenkisten auf der Wiese vor der Waldorfschule. Ein müdes Bienchen krabbelt aus seiner Kiste und landet auf der Jacke von Moritz Laub. Behutsam lässt der Imker das Tier auf seinen Finger krabbeln. Seine Bienen sind für ihn viel mehr als ein Geschäftsmodell. „Imker wird man nicht, um reich zu werden“, sagt Laub. Sowohl er als auch seine Freundin haben noch einen Nebenjob, um über die Runden zu kommen. Das Imkern, so wird schnell klar, betreiben sie mehr aus der Überzeugung heraus, damit das Richtige zu tun. Trotzdem ist der 33-Jährige mit seiner ruhigen und pragmatischen Art weit entfernt von dem Hype, der aktuell um die gelbschwarzen Honigsammlerinnen gemacht wird: Gefühlt gehört die Biene mittlerweile zum Öko-Image wie der Vollbart zum Hipster. Nicht nur Privatleute, auch Unternehmen wie die Deutsche Bahn und Institutionen, wie der Bundestag, unterstreichen mit Bienenkörben auf Dach oder Balkon gerne ihr grünes Gewissen. Filme, Bücher und Presseartikel (wie dieser) thematisieren das Leben und Sterben der Bienen und ihre Bedeutung für das ganze Ökosystem. Dabei wird auf der einen Seite nicht selten dramatisiert und emotionalisiert. Die andere Seite wiegelt ab …
Kein Bienenvolk kann in Deutschland mehr ohne Imker überleben
Ein großer Feind der Bienen ist die Varroamilbe, die als Parasit an den Tieren lebt. Besonders in milden Wintern hat sie gute Überlebenschancen und setzt den Beständen zu. „Wegen der Milbe kann kein Bienenvolk in Deutschland mehr ohne Imker überleben“, sagt Moritz Laub. Doch er sagt auch: „Gegen die Milbe kann man etwas tun, handwerklich oder medizinisch.“ Ein Imker, der seinen Job versteht, könne mit diesem Risiko umgehen. Bei anderen Gefahren sei das viel schwieriger. Als große Bedrohung für die Bienen bezeichnet der Moritz Laub die Agroindustrie mit ihrem massiven Einsatz von Insektenvernichttungsmitteln.
Als Beispiel nennt Moritz Laub die Neonicotinoide, die unter anderem im umstrittenen Glyphosat enthalten sind. Sie schwächen das Orientierungsvermögen der Biene und sorgen dafür, dass sie nur noch auf Umwegen oder gar nicht mehr zu ihrem Stock zurückfindet. Doch die Bienen vor dem Kontakt mit den Giften zu schützen, ist für den Imker kaum möglich, solange die Landwirtschaft so organisiert ist wie derzeit.
Allerdings gebe es regionale Unterschiede, so Laub. Weite Teile von Norddeutschland seien mit ihren riesigen Monokulturen sehr bienenfeindliches Gebiet. Das landwirtschaftlich ebenfalls intensiv genutzte Brandenburg hingegen Brandenburg hingegen ist ihm zufolge ein Bienenparadies, da die Region weniger zersiedelt ist als beispielsweise der Süden Deutschlands und außerdem viele Weideflächen sowie Robinienwäler und große Obstplantagen aufweist. Auch seine Bienen finden zwischen Sinsheim und Heidelberg genug Nahrung. Trotzdem ist die Tätigkeit des Imkers mit hohen Risiken belastet. Denn – im Gegensatz zur Landwirtschaft – werden Imker für schlechte Ernten nicht entschädigt.“Eine schlechte Ernte wie 2016 kann ein Berufsimker nur schwer ausgleichen, da er kaum andere gesicherte Einnahmen hat.“ Ein Landwirt dagegen, so Laub, bekäme für jeden Hektar, den er bewirtschaftet, Subventionen.
Imker werden für schlechte Ernten nicht entschädigt – ganz im Gegensatz zur Landwirtschaft
In vielerlei Hinsicht ist ein Imker den Launen der Natur unterworfen und muss bei Bedarf schnell reagieren. Macht der Frost die Obstbaumblüte auf einer Wiese überraschend zunichte, muss der Imker die dort aufgestellten Kisten in seinen Transporter packen und sie an einem anderen „Weideplatz“ aufstellen. Nicht immer ist es leicht, vom Besitzer des jeweiligen Grundes die Erlaubnis dafür zu bekommen, häufig muss Laub sogar Miete zahlen, um seine Bienenkisten platzieren zu dürfen. Ein Unding, wie er findet. Denn es ist die Bestäubungsleistung, die die Biene für uns Menschen so bedeutsam macht, nicht wie vielfach angenommen die Honigproduktion. Dieser Service werde nicht wertgeschätzt, beklagt der Imker. Dabei seien die Zahlen eindeutig: Rund 80 Prozent der heimischen Nutz- und Wildpflanzen sind auf die Bienen als Bestäuber angewiesen.
Der volkswirtschaftliche Nutzen der Bestäubungsleistung übersteigt den Wert der Honigproduktion um das 10- bis 15-fache, rechnet unter anderem der Deutsche Imkerbund vor. Die Biene wird damit zum drittwichtigsten Nutztier nach Rind und Schwein. Vor diesem Hintergrund wäre es logischer, die Imker dafür zu entlohnen, dass sie ihre Völker ausschwärmen lassen, anstatt sie fürs Aufstellen ihrer Kisten zur Kasse zu bitten.
Laub hofft, dass sich dieses Verständnis auch hierzulande künftig stärker durchsetzt – erste Anzeichen dafür sieht er: Im Spätsommer hatte er seinen ersten „Bestäubungsauftrag“ auf dem Feld eines Kürbiszüchters, der sich von dem Einsatz der Bienen höhere Erträge und eine bessere Qualität seiner Früchte verspricht. Auch den „fast irrationalen Run“ auf Imkerkurse, den Imkervereine derzeit verzeichnen, sieht Laub als positives Zeichen für ein sich wandelndes Verständnis für die Bienen und ihre Leistung. Besonders im Sinne der Nachwuchssicherung freut er sich über das große Interesse, denn das Durchschnittsalter in der deutschen Imkerschaft ist hoch.
Dass die überwältigende Mehrheit der Bienenfreunde die Imkerei nur als Freizeitbeschäftigung betreibt, sieht er nicht als Nachteil – vorausgesetzt, die Kollegen wissen, was sie tun. „Nicht die Hobbyimker generell sind das Problem, sondern die Hobbyimker, die keine Ahnung von Bienen haben“, sagt Laub und er erzählt von einem Mann, der jedes Frühjahr zehn neue Völker geordert habe. Allerdings, wie sich nach einigen Jahren herausstellte, nicht, um seinen Bestand zu vergrößern, sondern schlicht, weil er nicht wusste, dass Bienen – bei richtiger Haltung – durchaus in der Lage sind zu überwintern. Solchen Fällen will der Sinsheimer gerne vorbeugen. Unter anderem zusammen mit dem Heidelberger Verein Wabenschatz macht Laub deshalb Öffentlichkeitsarbeit für Bienen. Geplant ist unter anderem eine gläserne Imkerei, in der Besucher live beobachten können, was die Biene leistet, aber auch, was sie braucht, um diese Leistung erbringen zu können.
npo // Fotos: mschi
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