Jörg Isermeyer lebt als Regisseur, Theaterschauspieler, Musiker und Schriftsteller in Bremen. In seinem bei Beltz & Gelberg erschienenen Kinderbuch „Die Brüllbande“ hat er einen Roman über den Jungen Bastian geschrieben, dessen Vater an einer Depression erkrankt. Auf der Leipziger Buchmesse 2017 erhielt „Die Brüllbande“ den Leipziger Lesekompass.
Herr Isermeyer, „Die Brüllbande“ handelt von einem Jungen, dessen Vater eine Depression hat. Wie kamen Sie auf dieses Thema?
Es war genau umgekehrt. Ich kam nicht auf das Thema, das Thema kam zu mir. Und zwar zunächst gar nicht zu mir als Buchautor, sondern als Familienvater. Mein Sohn hat einen engen Freund, in dessen Familie das Thema Depression aufkam. Da wir die Eltern gut kennen, erlebten wir alles hautnah. Das Hadern – sagen wir es unserem Kind oder besser nicht? Kriegt er das nicht sowieso mit? Wir haben da einen Großteil der Konflikte, die man als Eltern in so einer Situation hat, mitbekommen.
Und wie wurde daraus ein Kinderbuch?
Diese Geschichte hat mich nicht losgelassen und ich habe angefangen, zu recherchieren. Und je mehr ich mich mit dem Thema beschäftigte, je genauer ich hinschaute, desto mehr begriff ich: Auch in meinem Umfeld gibt es viele Betroffene, die mit Depressionen zu kämpfen haben oder die zum Teil heftige Burn-outs hatten. Neben diesen Recherchen im Bekanntenkreis habe ich auch Fachliteratur gelesen und mir wurde klar: Ich möchte ein Buch für Kinder schreiben, das das Thema Depression behandelt, aber gleichzeitig als Roman funktioniert und Spaß macht, zu lesen.
Das tut es! Bastians Eltern sind eigentlich ziemlich cool und offen. Nach einigem Zögern erzählen sie ihrem Sohn von der Krankheit des Vaters. Die Depression ist kein absolutes Tabuthema in Ihrem Roman. Wie ist das im echten Leben? Wissen Kinder von der Depression ihrer Eltern?
Das ist sehr unterschiedlich. Ich kenne dazu keine Statistiken, habe mich aber ein Stück weit von der Fachliteratur inspirieren lassen. Bastians Vater geht in meinem Roman die typischen Schritte, an denen man hängen bleiben kann. Der erste Schritt muss immer der sein, dass man sich selbst eingesteht, dass man ein ernstes Problem hat. Erst dann, im zweiten Schritt, kann ich mit meinem Kind darüber reden. Im dritten Schritt erlaube ich ihm, dass es seinen Freunden und Vertrauten darüber berichtet. Die Depression ist dann kein Familiengeheimnis mehr, das das Kind belastet und isoliert. Und im vierten Schritt hole ich mir professionelle Hilfe – als Kranker und auch als Elternteil. Und je schneller ich mit diesen vier Schritten durch bin, desto besser ist es (in der Regel) für alle Beteiligten.
Auch Bastian bekommt viel Hilfe. Die Musik hilft ihm, seine Kumpels helfen ihm und David, ein junger Erwachsener, wird zum Vertrauten …
Ja, Hilfe ist wichtig. Nicht nur für die betroffenen Eltern, auch für deren Kinder. Häufig ziehen solche Kinder sich ja zurück, denn untereinander wälzen Kinder selten Probleme. Die verbringen Zeit miteinander, machen Quatsch … ich habe das als Kind auch so gemacht. David bekommt da als junger Erwachsener eine besondere Bedeutung für Bastian. Mit dem kann er ernsthaft über dieses schwierige Thema reden. Solche erwachsenen Bezugspersonen, die außerhalb der Kleinfamilie stehen, gibt es heute leider viel zu selten. Aber dass es solche Ansprechpartner gibt, das ist für Kinder meiner Meinung nach sehr wichtig, nicht nur in solchen Krisensituationen. jl // Foto: privat