Ein Campingplatz in Brandenburg möchte keine Kinder aufnehmen. Jedenfalls keine unter 14 Jahren. Ein wunderbares Aufregerthema, das vergangene Woche sogleich durch sämtliche soziale Netzwerke einmal hoch und einmal wieder runterdiskutiert wurde. Herrlich. Und das alles so kurz vor Pfingsten. Selbst die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat sich eingeschaltet. Sämtliche große Medien haben sich drauf gestürzt, wie hungrige Hunde auf einen Leckerbissen.
Wir könnten uns also ein wenig kopfschüttelnd zurücklehnen, innerlich ein bisschen die Augen verdrehen, die anderen mal machen lassen und hoffen, dass dieser Unsinn schnell wieder in Vergessenheit gerät.
Könnten. Dummerweise haben wir aus reiner Neugier mal ins Gästebuch auf der Homepage des Feriendomizils geschaut. Und da reicht dann leider kein Kopfschütteln mehr, da möchte man in Tränen ausbrechen.
Die Entscheidung der Campingplatzbesitzer füllt das digitale Gästebuch der Homepage seitenweise. Ein großartiger Erfolg, zumindest für die Betreiber. Und die sehen das offensichtlich ganz genauso. Voller Stolz weisen sie schon auf der Startseite der Homepage darauf hin, dass Fernsehsender und große Tageszeitungen das Thema aufgegriffen haben. Wen wundert’s. Das ist sicherlich die beste Werbestrategie, die großartigste PR-Aktion, die sich ein Campingplatz, irgendwo im Brandenburgischen, irgendwo 80 Kilometer entfernt von Berlin so ausdenken kann. Und sie ist auch noch ganz und gar kostenlos.
Kinder an sich können fürchterlich nerven. Vor allem dann, wenn es die eigenen sind. Erwachsene übrigens auch.
Kinder von einem Campingplatz auszuschließen, ist trotzdem absurd. Kinder sind Menschen und alle Menschen sind gleich. Man kann auch keine Erwachsenen von einem Campingplatz ausschließen, weil einem die Nase nicht passt. Oder die Stimmlage nicht gefällt.
Man stelle sich vor, die Betreiber hätten öffentlich gemacht hätten, dass sie künftig keine dickleibigen Menschen mehr auf ihrem Gelände beherbergen möchten. Weil sie der Anblick in ihrem ästhetischen Empfinden stört.
Okay, dummes Beispiel. Es gibt viel mehr dicke Menschen, als Kinder in Deutschland. Der Schuss wäre also nach hinten losgegangen.
Aber, man stelle sich vor, die Campingplatzbesitzer hätten beschlossen, dass sie keine Ausländer auf ihrem Platz dulden. Oder keine Homosexuellen. Oder – noch besser – sie hätten einfach Frauen verboten. Ganz. Weil Frauen ja auch manchmal nerven.
Absurde Idee? Genau.
Eigentlich könnte die Diskussion also genau an dieser Stelle enden.
Eigentlich muss man sich also auch nicht im Gästebuch oder in sozialen Netzwerken gegenseitig beleidigen und beschimpfen und aufrechnen, ob nun Hunde- oder Kinderbesitzer die besseren zeltenden Nachbarn sind.
Aber genau das passiert. Da wird gegen Eltern gewettert, die ihre Kinder verziehen. Da wird gegen Nichteltern gewettert, die die Ruhe vorziehen. Seitenweise.
Und mit dieser Debatte wird eine vollkommen absurde Idee auf eine Weise aufgewertet, die sie nicht verdient hat.
Denn sind wir doch mal ehrlich. Es gibt sie. Diese rücksichtslosen Ich-bin-Mutter-lassen-sie-mich-durch-Eltern, die ihre Kinder sich zu jeder Tages- und Nachtzeit und bei jeder sich bietenden passenden und unpassenden Gelegenheit all ihre Launen ausleben lassen.
Aber die Mehrzahl von Eltern ist doch unglaublich defensiv. Die meisten Mütter sind darum bemüht, dass ihre Kinder niemanden belästigen. Verlassen lieber ein Restaurant, als unangenehm mit dem Nachwuchs aufzufallen. Gehen lieber zehn Jahre lang gar nicht essen. Schämen sich in Grund und Boden, wenn der Wut-Zwerg den berühmten Ausraster an der Supermarktkasse bekommt. Suchen sich ohnehin schon Feriendomizile, in denen Kinder explizit willkommen sind, weil man ja niemanden stören möchte.
Die meisten Eltern werden also jenen Campingplatz, der vermutlich weder über einen Wickeltisch, noch über Kinderwaschbecken, Spielplatz oder andere Annehmlichkeiten verfügt, ohnehin schon meiden. Und sich ganz freiwillig einen anderen suchen.
Und deshalb ist nach der Debatte vermutlich alles genauso wie vor der Debatte. Nur mit dem klitzekleinen Unterschied, dass nun halb Deutschland einen popeligen Campingplatz in Brandenburg kennt. Aber nicht, weil die Campingplatzbesitzer diese unsinnige Idee in die Welt gesetzt haben.
Sondern nur, weil sie überhaupt öffentlich zur Debatte gemacht wurde.
Text: Sarah Hinney