Viele „Einwanderer“ im Tierreich, die wir inzwischen gut kennen, zählen zu den Neozoen. So werden die Tierarten bezeichnet, die von Menschen, sei es absichtlich oder unabsichtlich, in andere Gebiete gebracht werden und sich dort in der Natur etablieren. Neben den in der Region sehr bekannten Halsbandsittichen, gehören die Waschbären entsprechend nicht zur Urbevölkerung unserer Breitgrade. Sie sind aus Nordamerika eingewandert.
Sogar in Deutschland kann es inzwischen vorkommen, dass man den Waschbären mit seiner typischen Räubermaske bei einem Diebeszug erwischt. In den 20er Jahren wurden einige dieser Kleinbären wegen ihres hübschen Fells nach Europa mitgebracht. Freigelassene oder entwichene Tiere haben sich schnell an die neue Umgebung angepasst. Die Allesfresser mögen das milde Klima und finden in Europa ein vielseitiges Nahrungsangebot. Bevorzugt werden neben Muscheln, Schnecken, Würmer und Obst. Wenn sich jedoch die Möglichkeit ergibt und die verlockenden Düfte aus der ein oder anderen Mülltonne über die natürliche Scheu siegen, trauen sich die Kleinbären auch in Gärten und auf Terrassen.
Seit den 90er Jahren werden im Zoo Heidelberg Waschbären gehalten. Zur Zeit, als die Waschbären in einem anderen Gehege untergebracht waren, kam es zu einem ungewöhnlichen Ereignis: Einer der kleinen Maskenträger hatte es eines Nachts offenbar geschafft, unbemerkt das Gehege zu verlassen. Die Tierpfleger stellten am nächsten Morgen den Fehlbestand fest und beseitigten das Schlupfloch umgehend. Die Suche nach dem Ausreiser blieb jedoch ohne Erfolg. Nicht schlecht staunte man daher ein paar Tage später im Zoo: Der Waschbär hatte sich ebenso unbemerkt wieder eingeschlichen und überraschender Weise bei seiner Heimkehr gleich zusätzlich einen weiteren Waschbären mit in das Gehege geschmuggelt.
Seit der Zoo im März 2014 ein neues Gehege für die Waschbären fertiggestellt und die komplette Gruppe dorthin umgesiedelt hatte, sind jedoch keine weiteren Freigänge der Waschbären aus dem Zoo vorgekommen. Das ansprechend gestaltete Freigehege mit Teich und Klettermöglichkeiten bietet den kleinen Bären viel Abwechslung und sie können sich auf die gute Versorgung mit Nahrung durch die Tierpfleger verlassen.
Ein häufiger Irrtum, auf den auch der Name der Waschbären zurückführt, ist übrigens die Annahme, dass die Tiere besonders reinlich im Umgang mit ihrer Nahrung sind. Das typische „Waschverhalten“ dient weniger der Reinigung der Nahrung als der Erkennung. Da die dämmerungsaktiven Waschbären mit den kleinen Knopfaugen, die sie in der breiten Augenbinde verstecken, nicht besonders gut sehen können, sind die Tiere sehr auf ihren Tastsinn angewiesen. In ihrer Hornhaut an den Vorderpfoten liegen besonders viele Sinneszellen, mit denen sie das Futter hervorragend erfühlen können. Durch das Drehen nach allen Seiten scheint es daher für den Beobachter, als würden Sie die Nahrung waschen. Hinzukommt, dass Waschbären gerne an Ufern nach Muscheln, Schnecken und Würmern suchen. Das Eintauchen in benachbarte Wasserstellen verstärkt diese Wasch-Wahrnehmung für den Betrachter, dient den Waschbären jedoch zur Steigerung der Sensibilität der Sinneszellen an den Tatzen. Durch das Anfeuchten der Pfoten und wird die Hornhaut weicher und der Tastsinn der Tiere verstärkt. Beobachten kann dies auch manchmal bei den Fütterungen im Zoo Heidelberg, die täglich um 15.45 Uhr stattfinden.
Fotos: Peter Bastian/Zoo Heidelberg